Anita Rieder, Leiterin des Zentrums für Public Health.
Gesundheit

Gebrechlichkeit - die verdrängte Volkskrankheit

Eingeschränkte Mobilität, häufiger werdende körperliche Beschwerden, rasche Erschöpfung, Gewichtsverlust und Vereinsamung: Fragilität, landläufig auch Altersschwäche genannt, ist ein unterschätztes Massenphänomen. Die neuesten Behandlungskonzepte setzen auf mehreren Ebenen – und so früh wie möglich – an.

Sie hat eine Vielzahl an Symptomen, wirkt sich auf sämtliche Lebensbereiche aus, ist im klassischen Sinn nicht heilbar und wird in den kommenden 30 Jahren knapp zwei Millionen Menschen in Österreich betreffen. Dennoch nimmt sie in der Medizin und der öffentlichen Debatte bei Weitem nicht den Stellenwert ein wie etwa die Volkskrankheit Demenz, unter der ähnlich viele Menschen leiden (werden): Fragilität, landläufig auch Gebrechlichkeit oder Altersschwäche genannt.

Also die mangelnde Robustheit und Anpassungsfähigkeit älterer (zumeist ab 65 Jahren) bzw. kranker Menschen gegenüber den Herausforderungen des Alltags, die zum schleichenden Verlust der physiologischen sowie sensomotorischen Reserven führen. Betroffene haben Aufmerksamkeits-, Wahrnehmungs- und Sehstörungen, sind rasch erschöpft, nur begrenzt leistungsfähig und vor allem in ihrer Mobilität stark eingeschränkt. Diese Faktoren führen bei vielen häufig zu dramatischem Gewichtsverlust mit massivem Abbau der Muskulatur – oft verbunden mit Osteoporose, sodass sie kaum gegen akute Erkrankungen wie beispielsweise die Grippe und Lungenentzündung gerüstet sind.

„Eigentlich ein Kreislauf, der von einem Defizit zum anderen Defizit führt“, sagt Anita Rieder, Vize-Rektorin der Medizinischen Universität Wien, Leiterin des Zentrums für Public Health und Expertin für Sozial- und und Präventivmedizin. „Man spricht dabei auch von Defizit-Akkumulation: Gebrechlichkeit und Vor-Gebrechlichkeit sind also starke Risikofaktoren für Pflegebedürftigkeit, Verlust der Autonomie, häufigere Krankenhausaufenthalte und auch eingeschränkter Lebenserwartung.“

Üblicherweise werden fünf Kategorien der Gebrechlichkeit unterschieden: rasche Erschöpfbarkeit, körperlich sowie geistig; ungewollter Gewichtsverlust als Folge mangelnden Appetits; muskuläre Schwäche – also der erwähnte Muskelabbau durch zu geringe Alltagsaktivitäten und natürlich durch biologische Alterungsprozesse; deutlich langsameres Fortbewegen, weil der Antrieb bzw. die Motivation fehlen oder auch aus Unsicherheit; und eine stark reduzierte Aktivität im Alltag ohne soziale Teilhabe, die zu Isolation, Vereinsamung – und wiederum weiterem Muskelabbau führt.

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