Gastkommentar

Panik, Zinsen und das Klima

Die Geldpolitik wird in der Umweltdebatte bisher weitgehend ignoriert. Trotz ihrer Auswirkung auf unseren Konsum.

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Der Hirtengott Pan hatte in der griechischen Mythologie die Fähigkeit, mit seinem lauten Schrei ganze Tierherden in Angst und Schrecken zu versetzen und so deren ungesteuerte und häufig zerstörerische Flucht auszulösen. Dem Zustand der „Panik“ gab er damit seinen Namen. Darunter versteht man eine durch plötzliche Gefahr hervorgerufene übermächtige Angst, die das Denken lähmt und zu kopflosen Reaktionen führt. Der panische Energieschub des Höhlenmenschen im Wettlauf mit dem Säbelzahntiger bewirkt heute bei Massenpaniken, dass die nach innen öffnenden Türen durch die nachdrängenden Flüchtenden geschlossen bleiben.

Dennoch werden wir in jüngster Zeit oft dazu aufgerufen, ob des Klimawandels in Angst und Panik zu geraten – mit dem Ziel, unseren Konsum radikal einzuschränken. Dabei ist Panik zur Lösung des höchst komplexen Problems der Klimaveränderung völlig ungeeignet; stattdessen besteht die Gefahr, dass durch den Tunnelblick der Angst wesentliche Eckpunkte unseres Gemeinwesens wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Privatautonomie und Marktwirtschaft geopfert oder verstümmelt werden. Historische Beispiele gibt es zur Genüge.

Doch auch der Wirtschaftspolitik scheint die Finanzkrise noch in den Knochen zu stecken. Konkret sind es die großen Zentralbanken, die seit damals panisch versuchen, das Wachstum um jeden Preis zu steigern. Die Mittel dazu sind ultraniedrige, ja negative Zinsen und der Ankauf von Anleihen – mit absurden Ergebnissen: Mittlerweile rentieren globale Anleihen im Wert von knapp 14 Billionen Euro negativ, das Eurosystem unter EZB-Führung hält fast jede dritte Staatsanleihe im Euroraum. Und das bei akzeptablen Wachstumsraten, die in etlichen Ländern sogar eine annähernde Vollbeschäftigung zur Folge hatten. Das rationale, antizyklische Element der Zinspolitik ging verloren, die Angst vor dem Abschwung führte zum Stimulus ad infinitum. Begründet wird dies mit der geringen gemessenen Inflation, die Auswirkungen sind jedoch dramatisch: Explodierende Wohnkosten, Zombiefirmen und die reale Enteignung der Sparer zur Förderung des Konsums sind nur einige der Probleme. Und hier schließt sich der Kreis – denn in der Geldpolitik wird mit extremen Maßnahmen genau jenes Konsumverhalten künstlich befeuert, gegen das die Umweltpolitik unter Androhung drastischer Konsequenzen vorgehen möchte. Der gleichzeitige Sprung auf Gas und Bremse erzeugt dabei maximale Reibungsverluste bei minimaler Fortbewegung.

Zurück zu neutralem Niveau

Es scheint daher geboten, die Geldpolitik auf ein neutrales Niveau zurückzuführen und die Marktkräfte die Fehlallokationen bereinigen zu lassen – ein notwendiger, sicher schmerzhafter Prozess, der durch Zuwarten aber nicht einfacher wird.

Die gegenwärtigen Konjunktursorgen zeigen, dass der Kairos dafür versäumt wurde. Allerdings macht die Diskussion über die Reversal Rate (die Zinsrate, bei der weitere Stimulation kontraproduktiv wirkt, sehen Experten in Europa bereits erreicht) sowie das jahrelange Verfehlen der selbst gesteckten Inflations- und Wachstumsziele eine Kurskorrektur jedenfalls erforderlich. Der bereits wundstimulierte Konsument würde so Ausgaben, zu denen er sich durch die Tricks der Zentralbanken verführen ließ, reduzieren und die Ökobilanz verbessern. Und der Abbau von systemischen Widersprüchen könnte helfen, die Menschen gegen die Parolen der Panikmacher zu immunisieren.

Mag. Rudolf Tuppa, MBA (* 1974) arbeitet seit knapp 20 Jahren im Portfoliomanagement bei diversen österreichischen und europäischen Banken.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2019)

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