Auch Schimpansen führen Kriege

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Es geht ihnen dabei um Land - und vielleicht auch um Weibchen. Die Anthropologin Amsler und ihr Team haben zehn Jahre lang eine ungewöhnliche große Schimpansengruppe im Kibale Park in Uganda beobachtet.

„Sie waren seit zwei Stunden auf einer Patrouille außerhalb ihres Territoriums, als sie eine kleine Gruppe von Weibchen von der Gemeinschaft des Nordwestens trafen. Fast sofort begannen die Männchen der Patrouille die Weibchen zu attackieren. Und eines der Jungen töteten sie ziemlich rasch.“ Aber die andere konnte sich und ihr Junges verteidigen, sie wurde umzingelt, nach einer halben Stunde griffen die Männchen wieder an, sie ließ ihr Junges doch nicht los. „Aber es war so schwer verletzt, dass wir nicht glauben, dass es überlebte.“

Das berichtet Sylvia Amsler (University of Arkansas), sie ist Anthropologin, aber sie beobachtete keine Menschen, sondern Schimpansen. Auch die tun, was man lange nur Menschen zutraute: Sie töten einander, sie führen regelrechte Kriege. Als erste Weiße hat es Jane Goodall 1976 im Gombe-Nationalpark beobachtet – zwei Weibchen griffen ein drittes an, entrissen ihm das Junge und fraßen es – und als „barbarischen Mord“ verurteilt. Aber vielleicht war sie selbst nicht unbeteiligt, sie hatte in das Leben der Schimpansen eingegriffen, hatte Futter ausgelegt, um das Vertrauen der Tiere zu gewinnen, andere Forscher taten es später auch. Das nährte den Verdacht, erst der Mensch mache die friedlichen Cousins zu gewalttätigen Bestien.

Gangs schlagen Nachbarn tot

Aber sie können es auch ganz von allein, man hat es inzwischen oft beobachtet – junge Schimpansenmännchen tun sich zu Gangs zusammen, die ganz leise in das Territorium ihrer Nachbarn eindringen und zuschlagen, wenn sie isolierte und/oder schwächere Artgenossen finden – und damit zu erklären versucht, dass es bei den Kämpfen um die Erweiterung des Territoriums bzw. der Futterressourcen geht. Aber eindeutig waren die bisherigen Belege nicht.

Amsler hat die Lücke nun gefüllt: Sie und ihr Team haben zehn Jahre lang eine ungewöhnliche große Schimpansengruppe – über 150 Mitglieder, dreimal so viel wie üblich – im Kibale Park in Uganda beobachtet. Die hatte ein Territorium von 28,76 Quadratkilometern und tötete bei Patrouillen zu Nachbarn 21 Artgenossen, die meisten im angrenzenden Territorium in Nordosten. Nach zehn Jahren übernahmen sie das Territorium, sie hatten nun 6,4 Quadratkilometerbzw. 22,3Prozent mehr (Current Biology, 21.6.).

Die Forscher schließen daraus, dass es den Schimpansen wirklich um Land geht. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass es sekundär auch um die Weibchen der Eroberten bzw. um die rasche Vergrößerung der eigenen Gruppe geht. jl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2010)

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