Coronavirus

Müssen Firmen jetzt um Hilfsgelder raufen?

Wenn viele Betriebe jetzt stillstehen – wie kommen Unternehmen und Arbeitnehmer finanziell über die Runden?
Wenn viele Betriebe jetzt stillstehen – wie kommen Unternehmen und Arbeitnehmer finanziell über die Runden?(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Unternehmen befürchten ein Wettrennen um die staatlichen Hilfsgelder – bei dem kleinere Firmen von vornherein im Nachteil wären. Und Arbeitnehmer bangen angesichts von Betriebsschließungen um ihren Lohn.

Wien. Angesichts der Corona-Krise ist in den Unternehmen die Verunsicherung groß:  Wie kommt man zu Hilfsgeldern, was gilt für die Kurzarbeit und müssen nach Betriebsschließungen die Löhne der Mitarbeiter weitergezahlt werden? „Die Presse“ hat Antworten auf einige drängende Fragen.

1 Gilt für die Hilfsgelder das Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“?

Manche Firmen sorgen sich, bei den Ansuchen um Hilfsgelder zu spät zu sein und leer auszugehen. Konzerne können dank ihrer Organisation die bürokratischen Hürden für die Ansuchen schneller nehmen als kleine.

Ein „Wettrennen“ um Hilfe sei nicht notwendig, versicherte man am Donnerstag in den zuständigen Ministerien. Man habe 38 Milliarden Euro vorgesehen. Im Finanzministerium betont man erneut, es werde an Hilfe geben, „was immer es braucht“. Etwa bei der Kurzarbeit, für die 400 Millionen Euro vorgesehen sind. „Das ist einmal eine Zahl. Wir werden aber alles tun, was notwendig ist“, erklärt man im Büro von Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP). Sollte mehr notwendig sein, werde man sich das „noch einmal anschauen“. Der Sprecher verweist auf die Wirtschaftskrise 2008. Tatsächlich seien aber lediglich 130 Millionen Euro abgerufen worden. „Jedes Unternehmen, das in Kurzarbeit gehen muss, kann in Kurzarbeit gehen“, sagte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck zur „Presse“.

2 Können Firmen auf Erleichterungen bei Abgaben hoffen?

Das Finanzministerium hat weitere Erleichterungen zur Behandlung an den Budgetausschuss des Nationalrats weitergeleitet. So will man alle Gebührenerhöhungen des Bundes aussetzen. Auch Steuerfristen werden verlängert, vorerst bis 31. Mai. Und man stellt auch klar, dass Hilfen aus dem Corona-Paket steuerfrei sind.

3 Müssen Arbeitnehmer um die Fortzahlung ihrer Löhne bangen?

Der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach einer behördlichen Betriebsschließung ist im Epidemiegesetz just in jener Bestimmung verankert, die durch die Corona-Sonderregelung ausgesetzt wurde. Das löste eine Diskussion aus, ob in betroffenen Betrieben die Löhne noch weitergezahlt werden müssen – oder ob dann wegen „höherer Gewalt“ (dazu zählen etwa Kriegsereignisse und Seuchen) die Pflicht zur Lohnzahlung entfällt. Entwarnung für die Arbeitnehmer kam von AK-Wien-Direktor Christoph Klein: Regierung und Sozialpartner haben sich auf eine gesetzliche Klarstellung geeinigt, „dass Beschäftigte jener Betriebe, die von der verordneten Betretungsbeschränkung betroffen sind, weiterhin ihr Gehalt bzw. ihren Lohn erhalten“. Das Gesetz soll am Freitag beschlossen werden.

4 Wird das Kurzarbeits-Modell von den Unternehmen angenommen?

Ab Montag können offiziell Anträge auf Kurzarbeit gestellt werden, heißt es von der Gewerkschaft. Auch eine rückwirkende Beantragung sei möglich. Der Ansturm auf die „Corona-Kurzarbeit“ dürfte groß sein. Bei der Gewerkschaft spricht man von „Hunderten Anfragen“, und es kämen laufend neue dazu. Regierung und Gewerkschaft appellieren an die Unternehmen, Kurzarbeit in Anspruch zu nehmen, anstatt Mitarbeiter zu kündigen. Die Rechnung dahinter: Betriebe behalten ihre Arbeitskräfte und können den Betrieb rasch wieder hochfahren, wenn das Gröbste vorbei ist.

5 Was gilt, wenn Arbeitnehmer die Kurzarbeit ablehnen?

Diese Sorge haben vor allem Unternehmen ohne Betriebsrat, wo das mit jedem einzelnen Mitarbeiter ausgehandelt werden muss. Der ÖGB warnt Arbeitnehmer, dass ihnen im Fall einer Ablehnung die Kündigung droht. Es gibt auch Experten, die hier eine Gesetzeslücke sehen: So plädiert Rechtsanwältin Birgit Vogt-Majarek im Gespräch mit der „Presse“ dafür, im Gegenzug zur Verankerung der Lohnfortzahlungspflicht die Ablehnungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer für die Corona-Kurzarbeit zu beschränken. Auch (Massen-)Kündigungen seien in Krisenzeiten – insbesondere bei Mitarbeitern mit langen Kündigungsfristen (und womöglich mit Ansprüchen aus der Abfertigung alt) – für Firmen ohne staatliche Unterstützung nicht leistbar, gibt sie zu bedenken.

6 Um wie viel weniger verdienen Arbeitnehmer bei Kurzarbeit?

Laut ÖGB ist die Nettoersatzrate je nach dem bisherigen Einkommen gestaffelt. Sie beträgt 80 Prozent, wenn das Bruttoeinkommen vor der Kurzarbeit über 2685 Euro lag, 85 Prozent bei einem Bruttoeinkommen zwischen 1700 und 2685 Euro und 90 Prozent bei einem Bruttoeinkommen bis 1700 Euro.

7 Wird die Arbeitslosigkeit trotz Kurzarbeit stark steigen?

Das AMS verzeichnete von Sonntag bis Dienstag fast 49.000 neue Arbeitslose. AMS-Chef Johannes Kopf erklärt das damit, dass die Wintersaison im Tourismus einen Monat früher endete als sonst. Außerdem würden in normalen Zeiten jetzt viele Menschen zu arbeiten beginnen – was sie wegen der Krise nicht tun. 20.000 der neuen Arbeitslosen entfallen auf den Beherbergungs- und Gastronomiebereich, 4500 auf den Bau. Auch wurden 3900 Leiharbeiter abgebaut. Ende Februar waren inklusive Schulungen 400.000 Menschen ohne Job. Österreichweit gab es seit Sonntag einen Anstieg der Arbeitslosigkeit um 16 Prozent. In Tirol schnellte die Arbeitslosigkeit um 46 Prozent in die Höhe, gefolgt von Salzburg mit plus 33 Prozent und Kärnten mit plus 21 Prozent.

8 Können auch Ein-Personen-Unternehmen auf Hilfe hoffen?

Der Nationalrat wird im Rahmen seiner Freitag-Sitzung auch die Rahmenbedingungen für einen mit bis zu einer Milliarde Euro dotierten Härtefallfonds für Kleinstunternehmen, freie Dienstnehmer und Non-Profit-Organisationen beschließen. Die Abwicklung soll dem Vernehmen nach die Wirtschaftskammer übernehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2020)

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