Spionage

Erdoğans Arm in Wien: Spion soll Einwanderer-Communities bespitzelt haben

KUNDGEBUNG DER ANTIFA VOR DEM ERNST-KIRCHWEGER-HAUS
KUNDGEBUNG DER ANTIFA VOR DEM ERNST-KIRCHWEGER-HAUSAPA/GEORG HOCHMUTH
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Die Person war in der Türkei inhaftiert und soll im Gegenzug für eine Freilassung zu Spionagetätigkeiten zugestimmt haben. Die österreichische Regierung will sich gegen den türkischen Einfluss im Land nun international Hilfe holen.

Die Ermittlungen nach den Unruhen bei Demonstrationen in Wien-Favoriten dürften einen Spionagefall mit Ausgangspunkt Ankara zu Tage gebracht haben. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) berichtete am Dienstag bei einer Pressekonferenz von einer Person, die in Österreich türkischstämmige Communities bespitzelt haben soll. Die Staatsanwaltschaft wird seinen Angaben zu Folge Anklage wegen Spionage erheben.

Nähere Details zu der Person gaben weder Nehammer noch der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit Franz Ruf bekannt. So blieb das Geschlecht des vermeintlichen Spions ebenso unklar wie seine Staatsangehörigkeit oder ob er sich noch auf freiem Fuß befindet. Nicht einmal, welche Staatsanwaltschaft ermittelt, wurde bekanntgegeben. Es dürfte sich aber um eine Behörde außerhalb Wiens handeln. Die "Krone" berichtete online, dass es sich um eine Frau handeln soll. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht.

Zu erfahren war immerhin, dass die Person ursprünglich in der Türkei inhaftiert war. Um wieder freizukommen, soll sie zugestimmt haben, im Dienste Ankaras in Österreich lebende Menschen türkischer Herkunft bzw. Staatsbürgerschaft zu bespitzeln. Entsprechendes soll die Person gestanden haben.

Keine direkte Verbindung zu Demos

Dieser Fall steht zwar nicht im direkten Zusammenhang mit den Zusammenstößen zwischen kurdischen Demonstranten und türkischen Gegendemonstranten Ende Juni in Wien, wurde aber von der da eingerichteten Sonderkommission mit berücksichtigt. Der Fall ist nun in einem Zwischenbericht jener  Kommission enthalten. Ruf ist zudem  überzeugt, dass auch bei diesen Auseinandersetzungen der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte.

Ins Treffen geführt wird vom Innenministerium hier zusätzlich der Fall einer Person, die in der Türkei von den Behörden einvernommen wurde. Dabei wurde dem Mann ein Foto von sich bei einer in Österreich stattgefundenen Kundgebung gegen die türkische Führung gezeigt. Und auch bei den Ausschreitungen in Favoriten war der Exekutive aufgefallen, dass von nicht-polizeilicher Seite mitgefilmt wurde - für Ruf einer der Aspekte für typische nachrichtendienstliche Arbeit.

Erwähnt wurde vom Generaldirektor auch, dass es zwar in erster Linie eine türkisch-kurdische Auseinandersetzung gewesen sei, aber durchaus andere Nationen mitgemischt hätten - nämlich nicht weniger als 32.

Arm Erdogans reicht bis nach Wien

Für die Regierung ist die Situation jedenfalls beunruhigend. Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) meinte bei der Pressekonferenz, der Arm des türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan reiche bis Wien, ja bis hinein nach Favoriten. Über Vereine und Moscheen werde Einfluss auf Menschen mit türkischen Wurzeln ausgeübt. Die Türkei wolle dabei die Spaltung in der österreichischen Gesellschaft vorantreiben. Dieser Einfluss sei Gift für die Integration in Österreich.

Nehammer will das Problem auch internationalisieren. Den deutschen Innenminister Horst Seehofer hat er über den Spionagefall schon informiert. Man müsse sich in Europa gemeinsam gegen den Einfluss Ankaras wehren. Vermutlich sei man erst an der Spitze des Eisbergs angelangt. Diplomatische Schritte bezüglich des Spionagefalls wird laut Nehammer Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) einleiten.

Im Außenministerium wartet man indes ab, auch wenn Nehammer bereits von Schallenberg angekündigt hat. Eine Sprecherin des Ressorts sprach von einem schwerwiegenden Vorwurf. Man behalte sich auch weitere Schritte vor. Nun sei aber einmal die Justiz am Zug.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl höhnte in einer Pressekonferenz, dass es wohl nur für Nehammer eine Neuigkeit sei, dass die Türkei in Österreich und Wien so etwas wie ein Spitzelwesen betreibe. Er erwarte sich umgehend Konsequenzen im diplomatischen Bereich. Wenn der entsprechende Nachweis erbracht werden könne, müsse es auch zur Ausweisung von Botschaftspersonal kommen.

30 Verdächtige nach Demos

Abgesehen von möglichem ausländischen Spion ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen 30 Verdächtige, von denen noch nicht alle ausgeforscht wurden. Dabei geht es vor allem um Körperverletzungen und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Durch die Feuerwerkskörper wurde auch ein Brand ausgelöst. Wegen des verbotenen Wolfsgrußes türkischer Rechtsextremer wird nicht ermittelt, weil dies laut Staatsanwaltschaft ins Verwaltungsstrafrecht fällt.

Die Auseinandersetzungen an vier Tagen hintereinander hatten für viel öffentliches Aufsehen gesorgt. Die türkischen Extremisten hatten die Teilnehmer der Demonstrationen attackiert, aber auch vor den Polizisten nicht Halt gemacht, die zu Hunderten im Einsatz waren. Von linker Seite wurden die Polizisten ebenfalls bedroht. Im Zuge der Straßenschlachten wurden Steine, Böller und Flaschen geworfen.

Insgesamt wurden sieben Polizisten sowie ein Diensthund verletzt, elf Personen wurden festgenommen, 57 Anzeigen erstattet und 220 Identitätsfeststellungen durchgeführt, hieß es von der Polizei.

(APA/red.)

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