Machtwechsel

Norwegische Wahl bringt Linksruck

Jonas Gahr Störe dürfte neuer Regierungschef in Norwegen werden
Jonas Gahr Störe dürfte neuer Regierungschef in Norwegen werdenREUTERS
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Das von den Sozialdemokraten angeführte Mitte-Links-Lager kommt auf eine Mehrheit der Parlamentssitze. Regierungschefin Erna Solberg räumt die Niederlage ihrer Konservativen ein.

Die Norweger haben bei der Parlamentswahl am Montag für einen Regierungswechsel gestimmt. Das von den oppositionellen Sozialdemokraten angeführte Mitte-Links-Lager kommt nach vorläufiger Auszählung der Stimmen in der Nacht auf Dienstag auf eine Mehrheit von 89 der 169 Parlamentssitze, während die Konservativen von Regierungschefin Erna Solberg und ihr rechtspopulistischer Partner massiv abstürzten.

Solberg räumte am späten Montagabend ihre Niederlage ein. Der von den Konservativen angeführte Block habe die Mehrheit im Parlament verloren und werde zurücktreten, sagte die Ministerpräsidentin in einer Rede vor Parteifreunden. "Ich gratuliere Jonas Gahr Störe zu einer - wie es jetzt aussieht - klaren Mehrheit für einen Regierungswechsel", so Solberg. Solberg hatte das skandinavische Land in den vergangenen acht Jahren regiert, und war dabei zuletzt die einzige konservative Regierungschefin Nordeuropas gewesen.

Der Sozialdemokrat und Oppositionsführer Jonas Gahr Störe ließ sich unterdessen unter "Jonas, Jonas"-Rufen als Sieger feiern. "Wir haben hart gearbeitet, und jetzt können wir endlich sagen: Wir haben es geschafft", sagte der 61-Jährige am späten Montagabend vor jubelnden Anhängern in Oslo. Gleichzeitig dankte er Solberg. "Sie ist eine gute und beständige Ministerpräsidentin für Norwegen gewesen", sagte er. Solberg habe das Land sicher durch mehrere schwere Krisen geführt.

Sozialdemokraten bei 26,4 Prozent

Nach vorläufiger Auszählung der Stimmen lag die sozialdemokratische Arbeiterpartei in der Nacht auf Dienstag bei 26,4 Prozent. Das bedeutete im Vergleich zu den 27,4 Prozent der letzten Parlamentswahl 2017 zwar leichte Verluste, nicht aber so starke wie die von Solbergs konservativer Partei Höyre: Als zweitstärkste Kraft rutschte sie von 25,0 auf 20,5 Prozent ab.

Störes bevorzugte Koalitionspartner erzielten dagegen ordentliche Zugewinne: Das Zentrum kommt voraussichtlich auf 13,6 (plus 3,3 Prozentpunkte), die Sozialistische Linke auf 7,5 Prozent (plus 1,5). Die rechtspopulistische Fortschrittspartei verlor deutlich und lag bei 11,7 Prozent (minus 3,5).

Gleich vier Parteien rangen mit der Vier-Prozent-Hürde: Die linke Rote Partei und die liberale Venstre ließen sie mit 4,7 Prozent beziehungsweise 4,5 Prozent recht sicher hinter sich, während es die Christliche Volkspartei und die Grünen mit je 3,8 Prozent voraussichtlich nicht über die Hürde schafften. Trotzdem standen beide Parteien bei je drei Mandaten.

Fast 3,9 Millionen Norwegerinnen und Norweger waren bei der Wahl zur Stimmabgabe aufgerufen. Knapp 1,65 Millionen hatten bereits vorzeitig gewählt - das entsprach mehr als 42 Prozent aller Wahlberechtigten und einem Rekord bei einer norwegischen Parlamentswahl.

Es sehe nach einer soliden Mehrheit für ein Mitte-links-Bündnis bestehend aus seinen Sozialdemokraten, der Zentrumspartei und der Sozialistischen Linkspartei aus, sagte Störe. Dies sei "unser Plan A", man wolle jedoch alle Parteien zu Gesprächen einladen, die sich einen Regierungswechsel wünschten.

Gahr Störe wird auch ohne Unterstützung der Kommunisten und Grünen regieren können, sollten sie es ins Parlament schaffen. Der Sozialdemokraten-Chef lehnt nämlich die Forderung der Grünen nach einem kompletten Ölausstieg schon bis zum Jahr 2030 ab. Die norwegische Ölwirtschaft ist für 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 30 Prozent der Exporte und 160.000 Arbeitsplätze verantwortlich.

Dass besonders der Klima- und Umweltschutz sowie die Frage der sozialen Ungerechtigkeit größeren Raum im Wahlkampf eingenommen hatten, hatte vor allem linksgerichteten Parteien in die Karten gespielt. Experten zufolge wünschten sich viele Norwegerinnen und Norweger auch eine politische Veränderung nach acht Jahren konservativer Regierungszeit, obwohl es dem Land eigentlich ganz gut geht. Solberg hatte Norwegen relativ gut durch die Corona-Krise geführt, was ihr im Frühjahr 2020 auch politischen Aufwind verliehen hatte - allerdings überdauerte der nicht bis jetzt.

Störe ist seit 2014 Vorsitzender der Sozialdemokraten, die zuletzt in den Jahren 2005 bis 2013 mit Jens Stoltenberg den norwegischen Regierungschef stellten. Unter dem heutigen NATO-Generalsekretär war Störe sieben Jahre lang Außen- sowie ein weiteres Jahr Gesundheitsminister gewesen. Bei der Wahl 2017 war er schon einmal als sozialdemokratischer Spitzenkandidat gegen Solberg angetreten, musste ihr damals aber den Vortritt lassen.

(APA)

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