Ukraine

100 Zivilisten verlassen Stahlwerk in Mariupol

(c) REUTERS (ALEXANDER ERMOCHENKO)
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Gemeinsam mit der UNO hat die Ukraine eine Waffenruhe in Mariupol vereinbart. Kurz darauf wurden 100 Zivilisten aus dem Stahlwerk evakuiert. Es ist der erste große Erfolg nach wochenlangen Verhandlungen.

Nach wochenlangem Tauziehen hat am Wochenende die Rettung von Zivilisten aus dem russisch belagerten Asow-Stahlwerk in Mariupol begonnen. Rund 100 Zivilisten seien evakuiert worden und auf dem Weg ins ukrainisch kontrollierte Saporischschja, teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij am Sonntag mit. Sie würden am Montag dort erwartet. Zuvor hatten die Vereinten Nationen vom Beginn der Evakuierungsaktion berichtet.

"Jetzt arbeiten wir zusammen mit den Vereinten Nationen an der Evakuierung von weiteren Zivilisten aus der Anlage", schrieb Selenskij auf Twitter. Ukrainischen Angaben zufolge sollen in den Bunkeranlagen des Werks noch etwa 1000 Zivilisten eingeschlossen sein. Russland spricht von etwa 2500 Menschen, insbesondere Militärs und "ausländischen Söldnern".

Wie UNO-Sprecher Jens Laerke sagte, erfolgt die Evakuierung in Koordination mit dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und den Konfliktparteien Russland und Ukraine. Ein Konvoi zur Rettung der Zivilisten sei am Freitag gestartet und hatte am Samstag in der Früh die von den russischen Truppen eingekesselte ostukrainische Hafenstadt Mariupol erreicht.

Das russische Verteidigungsministerium hatte zuvor erklärt, am Asow-Stahlwerk seien eine "Waffenruhe" verhängt und ein "humanitärer Korridor" eingerichtet worden. Russischen Nachrichtenagenturen zufolge wurden am Sonntag 40 Zivilisten vom Gelände des Asow-Stahlwerks geholt und in von Russland kontrollierte Gebiete gebracht.

Am Samstag konnten ersten 50 Menschen gerettet werden

Bereits am Samstag waren nach russischen Angaben rund 50 Zivilisten über Fluchtkorridore aus dem Asow-Stahlwerk geholt worden. Das ukrainische Asow-Regiment sprach von rund 20 Zivilisten, die am Samstag evakuiert worden seien. Das Asow-Regiment hat sich in dem Stahlwerk verschanzt. Die Fabrikanlage ist die letzte Bastion des ukrainischen Widerstands in der durch russische Angriffe weitgehend zerstörten Hafenstadt Mariupol. Das Asow-Regiment berichtete von heftigem nächtlichen Artilleriefeuer auf die Anlagen.

Bei einem ukrainischen Angriff auf das Quartier des russischen Armeestabs in der Stadt Isjum wurden indes nach Angaben aus Kiew mehrere Menschen getötet. Darunter seien ranghohe Offiziere, berichtete ein Berater des ukrainischen Innenministers, Anton Heraschtschenko, am Sonntag im Nachrichtenkanal Telegram. Die 50.000-Einwohner-Stadt Isjum liegt im Osten der Ukraine.

Nach ukrainischen Angaben hält sich dort auch der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow auf, um die Offensive im Donbass zu befehligen. Der Angriff soll bereits am Samstag erfolgt sein. Aus Russland gab es dafür keine Bestätigung - auch nicht für den Aufenthalt Gerassimows in der Gegend.

Im Westen Russlands geriet unweit der Grenze zur Ukraine eine militärische Einrichtung in Brand. Das Feuer sei im Gebiet Belgorod "auf dem Gebiet eines Objekts des Verteidigungsministeriums der Russischen Föderation" ausgebrochen, schrieb Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow am Sonntag im Nachrichtendienst Telegram. Ein Anrainer sei verletzt worden. Informationen über Schäden lägen noch nicht vor. Um was für eine Art Militärobjekt es sich genau handeln soll, sagte Gladkow nicht. Auch die Brandursache war zunächst unklar. Zudem stürzte im westrussischen Kursk eine Eisenbahnbrücke teilweise ein. Gouverneur Roman Starowoit sprach am Sonntag in einer Videobotschaft von einem Akt der Sabotage. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden. Den Angaben zufolge wurde niemand verletzt.

Nancy Pelosi in Kiew

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew empfing am Samstag Präsident Wolodymyr Selenskij die US-Politikerin Pelosi. Sie wolle den Ukrainern "für ihren Kampf für die Freiheit" danken, sagte Pelosi in einem von der ukrainischen Präsidentschaft veröffentlichten Video. "Wir versprechen, für Sie da zu sein, bis der Kampf beendet ist."

Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses bekräftigte in einer Erklärung, "dass weitere US-Hilfe auf dem Weg" sei. Es werde in Washington gerade daran gearbeitet, die von Präsident Joe Biden beim Kongress beantragte zusätzliche Unterstützung von 33 Milliarden Dollar (rund 31 Milliarden Euro) für die Ukraine umzusetzen.

US-Außenminister Antony Blinken versprach der Ukraine weitere "robuste Unterstützung". In einem Gespräch mit seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba kündigte er zudem die baldige Rückkehr von US-Diplomaten in die Ukraine an. Unterdessen begannen die USA mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland und anderen Ländern. Nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums geht es dabei um den Umgang mit Haubitzen und anderen Waffensystemen.

Russland setzte unterdessen insbesondere in der Ostukraine seine Angriffe mit unverminderter Härte vor. Im Donbass versuchen die russischen Truppen, aus dem Norden und Süden kommend, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln. "Es gibt keine klare Frontlinie entlang einer Achse", sagte die ukrainische Militärsprecherin Iryna Rybakowa. "Es ist ein Dorf für sie, ein Dorf für uns." Im Moment seien die Ukrainer nicht in der Lage, die Russen zurückzudrängen.

Selenskij warnte, Russland habe in der nördlich des Donbass gelegenen Region Charkiw Verstärkungstruppen zusammengezogen. Die Großstadt Charkiw in Grenznähe zu Russland konnten die Angreifer bisher nicht einnehmen. Die nordöstlichen Viertel der zweitgrößten Stadt des Landes wurden zuletzt täglich von Raketen getroffen, wobei nach ukrainischen Angaben immer wieder Zivilisten getötet wurden.

Flughafen Odessa zerstört

In der Südukraine traf eine russische Rakete den Flughafen von Odessa. Die Landebahn sei dabei zerstört worden, Opfer gebe es nicht, erklärte Gouverneur Maxym Martschenko. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, russische Hochpräzisionsraketen hätten neben der Landebahn einen Hangar "mit Waffen und Munition der USA und der europäischen Ländern" zerstört.

Die EU-Kommission will den Druck auf Russland mit weiteren Strafmaßnahmen erhöhen. Nach Angaben von Diplomaten wird derzeit ein weiteres Sanktionspaket vorbereitet, das auch Einfuhrverbote für russisches Öl beinhaltet. Während vor allem Ungarn noch als potenzieller Blockierer eines dafür nötigen einstimmigen Sanktionsbeschlusses gilt, soll Deutschland diesen Schritt mittlerweile unterstützen.

(APA/Reuters/dpa/Red. )

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