ESC-Analyse

Song Contest: Warum es mit "Halo" für Österreich wieder nicht geklappt hat

DJ und Sängerin: Das Duo Lumix und Pia Maria ging im ersten Halbfinale des Eurovision Song Contests mit Startnummer 13 an den Start.
DJ und Sängerin: Das Duo Lumix und Pia Maria ging im ersten Halbfinale des Eurovision Song Contests mit Startnummer 13 an den Start.APA/AFP/MARCO BERTORELLO
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Ein bunter Mix aus Pop- und Rock sorgte für einen interessanten ESC-Halbfinalabend. DJ LUM!X hätte für Österreich mit „Halo“ einen Top-Song geliefert, doch die Live-Umsetzung des Gesangsparts war eine Herausforderung.

Die größte Überraschung des ersten Song-Contest-Halbfinales war schließlich das Ergebnis. Die Favoriten Ukraine, Norwegen und die Niederlande kamen weiter, aber dahinter schnappten sich doch einige unscheinbarere Länder ein Finalticket in Turin. Für Österreichs Beitrag „Halo“ von „LUM!X & Pia Maria“ gab es nichts zu holen am Dienstag. Damit durfte aber auch nicht gerechnet werden.

Für wahre Freunde des Song Contests, die erkennt man daran, dass sie das Finale auch ohne Österreichbeteiligung ansehen werden, war es dennoch ein guter Abend. Jedenfalls: Die Beiträge im ersten von zwei Halbfinale waren alles andere als schlecht, fad oder gar eintönig. Es war der übliche bunte Mix vieler Genres und Inszenierungen, jedoch mit immer deutlichem Hang zum internationalen Pop. Aber für Freunde von Ethno-Einschlägen gab es dennoch genug zu entdecken, etwa beim favorisierten Beitrag der Ukraine. Das Kalush Orchestra groovte sich mit coolen Beat-Drops und Folklore-Flöten durch die drei Minuten "Stefania“. Moldau lud zur Polka-Zugfahrt nach Bukarest mit flotten Ziehharmonika- und Geigenklängen, mit weniger ernst zu nehmendem Text und mehr Tempo. Und wenn man genau hinhört, irgendwie klingt selbst der gelbköpfige Beitrag Norwegens etwas nach Folklore. Die Hoffnung, dass hinter den Wolfsmasken und gelben Morphsuits das großartige Satire-Musik-Duo „Ylvis“ steckt.

Viele Genres, viele ruhigere Lieder

Ansonsten war durchaus Zurückhaltung bemerkbar. Ältere Herren einer Rockband aus Bulgarien vermochten ebenso wenig zu begeistern wie die rockigen Damen aus Dänemark oder die an sich doch noch dem Hipster-Eck zurechenbaren Herren aus Lettland mit ihrer „Uptown Funk"-Variante. So richtig songcontestig, wenn man dieses Adjektiv verwenden möchte, war eigentlich nur die Eröffnung durch Albanien: Wenig gesungen, das etwas unsicher, ein verkrampfter hoher Ton, viel Haar-Choreografie, ein enger Bodysuit gepaart mit schwarzen Stiefeln ohne Absätze.

Man kann den Machern des Eurovision Song Contests (also der EBU, der European Broadcast Union) jedenfalls nicht vorwerfen, dass sich ein Halbfinale-Abend allzu sehr in die Länge zieht. Internationale Sendezeiten sei Dank. Einige Minuten muss man sich zu Beginn durch eine etwas belanglose Eröffnungsshow samt gesungenem und leicht irritierendem Motto „The Sound Of Beauty“ quälen. Dann kurze Moderationen mehrerer euphorischer Moderatoren ohne Belang über sich ergehen lassen, gefolgt von (am Dienstag) 17 Beiträgen von maximal drei Minuten, Musik aus der Konserve, Lead-Gesang muss live sein, maximal sechs Personen auf der Bühne. Das geht ruckzuck und schon kann man sich kaum mehr an die Kleider von Startnummer eins erinnern. Nur Albaniens Haar-Choreografie, die vergisst man nicht.

„Halo“, eine gesangliche Herausforderung

Für Österreich war die Lage anders. Die Wettquoten hatten ein knappes Rennen um den zehnten Platz vorhergesagt. Ob's tatsächlich knapp war, werden die Zahlen in den nächsten Tagen zeigen, aber die Hürde Top Ten war offenbar zu hoch. Am Lied „Halo“ an sich lag es nicht. Der Song macht Spaß, ist eingängig, man kann dazu hervorragend tanzen und er kommt tatsächlich cool daher. Auch die internationalen Kommentare nach der Songveröffentlichung waren durchaus positiv. Nur das mit der Liveperformance hätte man vielleicht im Vorhinein besser vorhersehen (und gegensteuern) können.

Denn, dass es nicht einfach ist, dieses Lied live zu singen, kann keine Überraschung sein. Wir reden hier von einer richtig unangenehmen Lage für viele Frauenstimmen. Die Höhe an sich ist nicht das Problem, aber der kraftvolle Klang - mit frech-"rotziger“-Attitude ist in dieser Lage nicht einfach in die Stimme zu legen. Und „Halo“ lässt dabei auch nie wirklich aus. Selbst zum Atmen scheint kaum Zeit. Und während LUM!X entspannt das Publikum zum Mitsingen aufrufen kann, muss die 18-jährige Pia Maria den kniffligen Gesangspart beisteuern.

Und die Sorge um die Töne merkte man Pia Maria am Beginn des Semifinales auch an - sowohl im Blick als auch in der Intonation. Ihre Stimme wurde zwar in den Klang von Background-Sängerinnen eingebettet, um ihr mehr Halt (und Raum zum Atmen) zu geben, aber da war dann doch einiges an Reibefläche zu hören vom ersten Ton weg. Allerdings: Je länger der Song, desto sicherer wurde die junge Sängerin und der Song entfaltete noch seine Partypower. Pia Maria hat definitiv eine Stimme mit Potenzial für eine Pop-Karriere, weil sie wiedererkennbar ist, Kraft ausstrahlt. Man darf gespannt auf die kommenden Veröffentlichungen sein. Für LUM!X stellt sich die Frage der musikalischen Zukunft ohnehin nicht wirklich, der Oberösterreicher mit bürgerlichem Namen Luca Michlmayr hat seinen Weg längst eingeschlagen und kann auf Millionen weltweiter Fans seiner Musik und Beats zählen.

Wer hat es also ins Finale am Samstag geschafft? Abgesehen von der Ukraine und Norwegen gab es da durchaus Überraschungen. Die Finalisten sind im Durchschnitt ruhiger im Tempo als vielleicht vorhergesehen. Es war auch nicht der Abend der großen Power-Balladen und Wahnsinns-Stimmen. Vieles blieb in der Komfortzone.

Die zehn Finalisten:

Schweiz: Marius Bear mit "Boys Do Cry"
Der junge Schweizer singt sich mit wiedererkennbarer Stimme durch eine ganz ruhige Nummer mit Jazz-Klängen ins Finale. Auch wenn er nicht so viel “knödelt” wie der legendäre Louis Armstrong, irgendwie erinnert seine Art des Singens an ihn.

Armenien: Rosa Linn mit "Snap"
Eine nur wenige Takte genutzte und dann achtlos beiseite gelegte Gitarre untermalt die sanfte Stimme von Rosa Linn, die dann durchaus noch Stärke zeigt. Eine nette kleine Pop-Nummer mit netten Bühneneffekten und weißen Fetzen-Post-its bringt das Finalticket.

Island: Systur mit "Með hækkandi sól"
Island und Portugal könnten eine nette Allianz heuer eingehen. Es wird gehaucht und mehrstimmig gesungen - ein Countrytrio ohne Pep. Den Schlagzeuger hätten sie sich jedenfalls sparen können. Das Lied gewinnt aber mit Dauer an Kraft und Mitwipp-Faktor.

Litauen: Monika Liu mit "Sentimentai"
Mit ihr haben wohl nicht viele im Finale gerechnet. Im Mireille-Mathieu-Lockdown-Gedenktopfschnitt präsentiert sich Monika Lui alleine im Glitzerkleid. Definitiv keine für das Mainstream-Radio gemachte Nummer. Aber nicht unspannend, wenn die Sängerin ihre elegante Stimme mit leichten Verzierungen um die Melodien spinnt.

Portugal: Maro mit "Saudade, saudade“ Sehnsucht, Sehnsucht also. Da stellen sich sechs Sängerinnen in einen Kreis und singen wunderbar mehrstimmig. Immer mit sanftem, luftigem Klang. Könnte man auch als langweilig empfinden. Aber die Harmonie war durchaus großartig und beruhigend.

Norwegen: Subwoolfer mit "Give That Wolf A Banana"
Was soll man sagen, außer „Yum yum banana". Eine absurde Nummer mit Beat. Ob die Sänger unter ihren Masken auch tatsächlich live gesungen haben (was die Regeln vorschreiben) war nicht zu sehen. Das hätte auch alles vom Band kommen können. Aber ohne Zweifel ein Kandidat für ein Finalergebnis ganz, ganz vorne.

Griechenland: Amanda Georgiadi Tenfjord mit "Die Together"
Griechenland verzichtet heuer komplett auf Folkloreklänge und setzt auf synthetisch klingende Mehrstimmigkeiten a la Effektgerät samt schöner Dynamik vom Leisen ins Laute. Eine Ballade mit Potenzial, das offenbar auch andere Zuseher entdeckten.

Ukraine: Kalush Orchestra mit "Stefania"
Der Mix aus Folklore-Elementen - etwa die Flöte und der melancholische Klang der Gesangsstimme - mit Beats und einer guten Bühnenshow kommen offenbar gut an. Den politischen Aspekt einzuberechnen wird schwer - was wiegt er? Im Radio werden wir „Stefania” auch bei einem Sieg der Ukraine aber wohl kaum mehr hören. Doch der Beat nimmt einen mit, die Bühnenshow ist gut - also warum nicht?

Moldau: Zdob și Zdub & Fraţii Advahov mit "Trenuleţul"
Wenn man „Cotton Eye Joe“ mag und ein Faible für moldauische Ethno-Klänge samt Geige und Ziehharmonika hat, dann ist man hier richtig. „Hey Ho, let's go“. Auch positiv anzumerken: Endlich mal jemand, der auch die Vorbühne ausnutzte, um näher an das Publikum heranzukommen.

Niederlande: S10 mit "De Diepte"
Die 21-jährige Sängerin Stien bietet eine etwas statische Performance, bezaubert aber mit zerbrechlicher Stimme und echter Emotion. Ihr zerbrechliches Ladadada-Outro mit Tränen in den Augen war jedenfalls einer der schönen Momente des Halbfinales - trotz traurigen Texts.

Das zweite Halbfinale findet schon am Donnerstag statt, wieder ab 21 Uhr (in ORF 1). Da lösen wieder zehn Länder ihr Finalticket, bevor am Samstag die zwanzig qualifizierten Finalisten auf die „Big Five“ (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien) treffen und den Sieg unter sich ausmachen.

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