Reaktionen zum Tod

"Gorbatschow hat die Geschichte verändert"

Michail Gorbatschow am 27. August 1991 in Moskau. Dort ist der russische Friedensnobelpreisträger und ehemalige sowjetische Staatschef im Alter von 91 Jahren gestorben.
Michail Gorbatschow am 27. August 1991 in Moskau. Dort ist der russische Friedensnobelpreisträger und ehemalige sowjetische Staatschef im Alter von 91 Jahren gestorben.APA/AFP/VITALY ARMAND
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Zahlreiche Politiker aus aller Welt würdigen den verstorbenen ehemaligen sowjetischen Staatschef als „Mann mit einer bemerkenswerten Vision“. Er habe eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs gespielt.

Nach dem Tod des letzten Präsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, haben zahlreiche internationale Politiker ihr Beileid ausgedrückt und ihn ausführlich gewürdigt. Der frühere Generalsekretär des Kommunistischen Partei hatte maßgeblich zum Ende des Kalten Krieges beigetragen. Der Friedensnobelpreisträger starb den Berichten zufolge im Alter von 91 Jahren in Moskau.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte Gorbatschow als "Mann des Friedens" und "Inbegriff eines Visionärs". "Kaum einer hat das vergangene Jahrhundert, aber auch unser heutiges Europa, so geprägt wie er", schrieb Van der Bellen am Mittwoch auf Twitter. "Sein Vermächtnis bleibt - und ist heute wichtiger denn je." "Michail Gorbatschow prägte wie kein anderer die Annäherung zwischen Osten und Westen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa und dem Ende des Kalten Krieges. Möge er in Frieden ruhen", twitterte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstagabend in einer ersten Reaktion. "Tragisch bleibt, dass die Anerkennung, die er im Westen genoss, ihm in seiner Heimat nie zuteil wurde", bedauerte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf Twitter.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) betonte die Leistungen Gorbatschows für eine friedliche Neuordnung Europas in den vergangenen 30 Jahren. Gorbatschow sei "ein großer Staatsmann" gewesen, sagte Schallenberg am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. "Er hat die Zeichen der Zeit erkannt." SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner erklärte: "Ohne Michail Gorbatschow hätte die Geschichte eine andere Wendung genommen und das Haus Europa wäre heute wahrscheinlich ein anderes. Europa hat ihm viel zu verdanken." "Michail Gorbatschow hat dazu beigetragen die politische Landkarte Europas auf friedlichem Weg nachhaltig zu verändern. Sein Mut und seine Weitsicht haben zu Recht ihren Platz in der Geschichte", teilte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka mit.

Putin: „Staatsmann mit gewaltigem Einfluss auf Weltgeschichte"

"Michail Gorbatschow war ein Politiker und Staatsmann, der gewaltigen Einfluss auf den Lauf der Weltgeschichte ausgeübt hat", würdigte Russlands Präsident Wladimir Gorbatschow in einem kurz gehaltenen Beileidstelegramm an seine Angehörigen. Er habe das Land zu einer Zeit "dramatischer Veränderungen" geführt und den großen Reformbedarf erkannt. Er habe versucht, seine Lösungen für das Problem anzubieten, schrieb Putin.

US-Präsident Joe Biden würdigte Gorbatschow als einen "Mann mit einer bemerkenswerten Vision". Gorbatschow sei ein Mann gewesen, der sein Leben mit einem großen Engagement für Frieden und Freiheit dem öffentlichen Dienst gewidmet habe, schrieb EU-Ratspräsident Charles Michel über den Kurznachrichtendienst Twitter.

Der britische Premierminister Boris Johnson warf Moskau vor, mit dem Ukraine-Krieg das Vermächtnis Gorbatschows zu zerstören. "Gorbatschow war einer der Menschen, die die Welt verändert haben, und zweifelsohne zum Besseren", meinte Johnson.

UNO-Generalsekretär António Guterres hat sich "zutiefst traurig" über den Tod Gorbatschows. Dieser sei ein "einzigartiger Staatsmann" gewesen, der den Lauf der Geschichte verändert habe, ließ Guterres am Dienstag mitteilen. "Er hat mehr als jeder andere dazu beigetragen, den Kalten Krieg friedlich zu beenden." Der Portugiese sprach der Familie Gorbatschows und der Bevölkerung Russlands sein Beileid aus. Die Aussage des Friedensnobelpreisträgers, dass Frieden nicht Einheit in Gleichartigkeit, sondern Einheit in Vielfalt sei, habe dieser mit seiner Politik in die Praxis umgesetzt.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte die Bedeutung des ehemaligen sowjetischen Staatschefs Gorbatschow für Europa heraus. "Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Beendigung des Kalten Krieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs", schrieb von der Leyen am Dienstagabend auf Twitter. Sie bezeichnete Gorbatschow als Führungspersönlichkeit, die zuverlässig und geachtet gewesen sei. "Er ebnete den Weg für ein freies Europa. Dieses Vermächtnis werden wir nie vergessen."

„Auflösung der Sowjetunion ihm zu verdanken"

Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte den verstorbenen russischen Friedensnobelpreisträger als "Mann des Friedens". Seine Entscheidung habe den Russen "einen Weg der Freiheit" geöffnet, schrieb Macron in der Nacht auf Mittwoch auf Twitter. "Sein Engagement für den Frieden in Europa hat unsere gemeinsame Geschichte verändert."

"Er befreite die Nationen Osteuropas aus dem Gefängnis der Sowjetherrschaft und trug dazu bei, den Kalten Krieg zu beenden", schrieb der australische Premierminister Anthony Albanese am Mittwoch. Gorbatschow sei "ein Mann von Wärme, Hoffnung, Entschlossenheit und enormem Mut" gewesen und in einer tief gespaltenen Welt vom Instinkt der Kooperation und der Einheit angetrieben worden. "Mit seinem Tod verlieren wir einen der wahren Giganten des 20. Jahrhunderts", so Albanese.

Deutschlands Kanzler Olaf Scholz sagte, Gorbatschows Politik habe es möglich gemacht, "dass Deutschland vereint werden konnte und der Eiserne Vorhang verschwunden ist". "Michail Gorbatschows historische Reformen haben zur Auflösung der Sowjetunion geführt, zum Ende des Kalten Krieges beigetragen und die Möglichkeit einer Partnerschaft zwischen Russland und der Nato eröffnet", twitterte Nato -Generalsekretär Jens Stoltenberg.

„Auch heute die ihm geschuldete Freiheit nutzen"

Der prominente liberale russische Oppositionspolitiker Grigori Jawlinski würdigte Gorbatschow als einen Veränderer der Welt. "Gorbatschow gab uns die Freiheit. Er hat Millionen von Menschen die Freiheit gegeben - in Russland und seinem Umfeld und noch dazu der Hälfte Europas", schrieb der Gründer der Oppositionspartei Jabloko in der Nacht auf Mittwoch in seinem Blog im Nachrichtenkanal Telegram. Jawlinski und die Partei Jabloko sind die letzten Reste der Opposition in Russland. Es liege auch heute in der Verantwortung der Russen, die damals geschenkte Freiheit zu nutzen, sagte Jawlinski. Wenige Anführer hätten einen solchen Einfluss auf die Geschichte gehabt. "In seinen sechs Jahren an der Macht hat Michail Gorbatschow die Welt verändert", unterstrich der Politiker.

Überblick

Gorbatschow wurde 1985 im Alter von 54 Jahren Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Er setzte an, das System durch politische und wirtschaftliche Freiheiten zu reformieren. Dabei erlaubte seine "Glasnost"-Politik der Transparenz nicht nur Kritik an Partei und Staat. Sie ermuntert Nationalisten, die Unabhängigkeit etwa für die baltischen Staaten forderten. Viele Russen vergaben ihm nicht die Verwerfungen, die durch seine Reformen ausgelöst wurden. Als prodemokratische Demonstrationen 1989 den Ostblock erfassten, verzichtete Gorbatschow auf den Einsatz von Gewalt. Am 25. Dezember 1991 erklärte er im Fernsehen seinen Rücktritt. Aus der Sowjetunion gingen 15 Einzelstaaten hervor.

(APA/Reuters/dpa)

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