SP-Sieg durch Türkischstämmige?

Nationalrat. Türkische Zuwanderer und deren Nachkommen haben laut türkischen Medien die Wahl in Österreich entschieden.

wien (aich). "Sie haben Ursula gestürzt", titelte das türkische liberale Massenblatt "Vatan" nach der österreichischen Nationalratswahl. Gemeint war Außenministerin Ursula Plassnik. Die ÖVP, so "Vatan", habe sich nämlich ganz allein den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei widersetzt. Eine andere türkische Zeitung, die konservative "Hürriyet", wusste, warum die ÖVP abgewählt wurde: Die türkisch-stämmigen Österreicher hätten die knappe Wahl für die SPÖ entschieden.

Ein Indiz dafür, dass viele Türkischstämmige SPÖ wählen, ist jedenfalls das Ergebnis der Vorzugsstimmen in Wien. Auf der Landesliste der Sozialdemokraten gingen die meisten Direktstimmen an den aus Anatolien stammenden Haydar Sari. Viele Türkischstämmige - aber auch viele andere hätten für ihn gestimmt, erzählt Sari im Gespräch mit der "Presse". Und warum wählen Türkischstämmige häufig rot? "Die SPÖ hat auch nicht viel gemacht, aber hat für Integration immer ein offenes Ohr", erklärt Sari.

Auch Sirvan Ekici, Wiener VP-Gemeinderätin, ist türkischstämmig und hat für den Nationalrat kandidiert. Sieht auch sie eine Vormachtstellung der SPÖ in dieser Wählergruppe? "Ganz ehrlich, vor vier Jahren hätte ich gesagt ja", meint Ekici. Doch inzwischen seien die türkischstämmigen Wähler auch für die anderen Parteien ein Thema geworden. Es gebe genügend Gründe für Türkischstämmige, ÖVP zu wählen: Denn viele Türken seien Familienmenschen und Selbstständige - also zwei Gruppen, die sich in der ÖVP gut aufgehoben fühlen müssten. Das Thema Türkei-Beitritt habe aber der ÖVP wohl geschadet. Denn die Position der Volkspartei - sie will eine Volksabstimmung über diese Frage - sei zu undifferenziert rübergekommen.

"Es haben sehr viele SPÖ gewählt", sagt Birol Kilic, Herausgeber von "Yeni Vatan", einer österreichischen Zeitung in türkischer Sprache. Allerdings: Bei der letzten Nationalratswahl 2002 seien es noch mehr gewesen. Damals hätten rund 80 Prozent der türkischstämmigen Österreicher für die SPÖ gestimmt, jetzt seien es laut einer Umfrage nur mehr 60 Prozent. Auch ÖVP und Grüne hätten sich diesmal stark um Stimmen der Türkischstämmigen bemüht.

Ins Parlament einziehen wird übrigens kein einziger türkischstämmiger Kandidat. Ekici führte keinen Vorzugstimmen-Wahlkampf und Sari nützten die vielen Vorzugsstimmen nicht, denn er wurde nur auf Platz 30 der Wiener SP-Landesliste gereiht. Sari bedauert das: Zu gerne würde er im Parlament BZÖ und FPÖ gegenübersitzen - und ihnen die Bedeutung der Zuwanderer für Österreich klar machen.

Auch VP-Gemeinderätin Ekici würde sich wünschen, dass bald ein Türkischstämmiger im Parlament sitzt: Schon bei der nächsten Wahl in vier Jahren könnte es so weit sein, hofft sie.

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