Johanna Mikl-Leitner: Kantig-jovialer Kumpel im Innenministerium

AUT, Bundesregierung, Regierungsklausur Krems an der Donau
AUT, Bundesregierung, Regierungsklausur Krems an der DonauMichael Gruber / EXPA / picturedesk.com
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Terror und Flüchtlingskrise führten seit dem Vorjahr zu einer enormen Belastung. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bewältigt den Job mit Härte. Die „Krone“ hat sie im Rücken, Skaten ist ihr Ausgleichssport.

Wien/Klosterneuburg. Die Rollerskates daheim in Klosterneuburg sind schon ausgepackt. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wollte die Karwoche etwas ruhiger angehen als sonst und mit ihren Töchtern Larissa und Anna (elf und 14,5 Jahre) die Sonnenstrahlen nützen. Nach den Terrormeldungen aus Brüssel am Dienstag war es mit etwas ruhiger vorbei. Nicht nur, weil die ÖVP-Politikerin am Donnerstag zu einer Sondersitzung der EU-Innenminister nach Brüssel musste. Innerösterreichische Sicherheitsvorkehrungen nachjustieren, die besorgten Österreicher via Medien beruhigen: Das ist das Los eines Innenministers in solchen Fällen.

Bleibt die Hoffnung der 52-Jährigen, dass es zumindest am Osterwochenende mit dem Skaten klappt. Denn da „kriege ich den Kopf frei“. Als Mutter diesen Ministerjob zu schaffen sei nur möglich, weil sie einen „tollen Ehemann“ habe, der das Familienmanagement übernimmt. Hausübungen, etwa Aufsätze, macht aber auch sie selbst mit den Töchtern.

Seit April 2011, also seit bald fünf Jahren, ist die gebürtige Weinviertlerin, die mit einer Zwillingsschwester aufgewachsen ist, Herrin in der Herrengasse in der Wiener Innenstadt. So geballt sind die Herausforderungen nie auf dem Schreibtisch eines österreichischen Innenministers gelandet: vom Blutbad in der französischen Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Jänner 2015 über den Strom an Asylwerbern, die vorerst in Zelten beherbergt werden konnten, über den Flüchtlingsdammbruch an der Südgrenze bis zum Terror in Paris im November und nun in Brüssel.

„Man steht unter sehr starkem Druck“

Karl Schlögl, Bürgermeister in Purkersdorf bei Wien und von 1997 bis 2000 für die SPÖ Innenminister, hat die ständige Last auf den eigenen Schultern gespürt. Wegen der sensiblen Sicherheit stehe man „unter sehr starkem Druck der Öffentlichkeit, sprich der Medien“. Und weiter: „Das ist neben dem körperlichen auch ein massiver psychischer Druck“, schildert der in der Bevölkerung beliebte Schlögl im Gespräch mit der „Presse“. Er habe bestenfalls vier Stunden pro Tag geschlafen. Der Posten des Innenministers sei die zentrale Funktion in einer Regierung: „Ich würde ihn, was die Wertigkeit betrifft, gleich nach dem Bundeskanzler ansetzen.“

Angefeindet von Gruppierungen, für die das Dichtmachen der Grenzen unbarmherzig war. Im Dauerclinch mit widerborstigen Landeshauptleuten auch ihrer Partei, denen ihr Drängen auf mehr Asylquartiere lästig geworden ist, dazu Anfeindungen auf EU-Ebene. Wie man das aushalte? „Indem man mit Freude und Überzeugung dabei ist“, sagt Mikl-Leitner der „Presse“, „dann hat man die Ausdauer und den notwendigen Atem.“

Im Nachhinein sieht sich die forsche Ministerin in ihren Aktivitäten seit Amtsantritt 2011 bestätigt. Dass das neue Staatsschutzgesetz schon vor einiger Zeit beschlossen wurde, lässt sie nach den Brüsseler Anschlägen erleichtert durchschnaufen: „Stellen Sie sich vor, wir würden damit erst jetzt anfangen.“ Dann würde sofort Kritik laut werden, warum das erst jetzt passiere. In ihrer Positionierung in der Flüchtlingspolitik fühlt sie sich durch zuletzt Hunderte Zuschriften bestärkt. Sie sei von Anfang an für eine „Politik der Vernunft“ zwischen grenzenloser Willkommenskultur und blindem Hass gegenüber Flüchtlingen gestanden. Einen leichten Seitenhieb angesichts des früheren Gegenwindes gegen die SPÖ kann und will sie sich dann nicht verkneifen: „Der Wind hat sich gedreht. Mittlerweile hat die gesamte Bundesregierung diese Position.“

Ihren Kurs unterstreicht sie in der gerade für Innenminister typischen Law-and-Order-Manier meist in kantigen, mitunter aber aufgesetzt einstudiert wirkenden Worten und Botschaften. Am vergangenen Sonntag sorgte ihr klares Bekenntnis in der ORF-„Pressestunde“ bei Kritikern prompt für Empörung. Dabei hätten Journalisten die Bezeichnung „Festung Europa“ lang vor ihr verwendet, hält sie dagegen. Als hartherzige eiserne Lady sieht sich Mikl-Leitner nicht und möchte so auch nicht gesehen werden: „Natürlich macht mich jedes einzelne Schicksal betroffen“, aber: „Es ist meine Verantwortung, für Sicherheit und Stabilität zu sorgen.“

Die Parteischule der niederösterreichischen ÖVP kann sie nicht verleugnen. Sie war ÖVP-Landesgeschäftsführerin, Nationalratsabgeordnete, Landesrätin. In der Landes-ÖVP gab es lang vor dem mächtigen gefürchteten Landeshauptmann Erwin Pröll ein klares Freund-Feind-Schema: Kritiker werden bestraft, indem sie Informationen später oder gar nicht erhalten. Gleichgesinnte werden amikaler behandelt.

Das gilt auch für die Medien: Fast jeder Innenminister in den vergangenen 20 Jahren mit Ausnahme von Caspar Einem (SPÖ) hat versucht, das mit Abstand größte Printmedium zu nützen. Etwa indem wichtige Botschaften zu Polizei und Sicherheit gezielt zuerst in der „Kronen Zeitung“ platziert wurden. Umgekehrt war die „Krone“ beim strengen Vorgehen bei Asyl und Kriminalität oft voraus, der jeweilige Innenminister folgte.

Mikl-Leitner, von Freunden „Hanni“ gerufen, ist bienenfleißig, aber bei Bedarf kann sie den Stachel ausfahren. Die SPÖ, die aus Rücksicht auf ihren linken Flügel bei Überwachung und Polizeibefugnissen oft zögerlicher war, hat ihn zu spüren bekommen: beim ÖVP-Vorstoß für Asyl auf Zeit oder beim Staatsschutzgesetz. Hanni, die Hantige, die Kantige, der man lieber aus dem Weg gehen möchte. Die studierte Wirtschaftspädagogin, die seit November 2011 auch ÖAAB-Obfrau ist, legt Wert auf modische Kleidung. Aber nicht dunkelblaue Hosenanzüge, sondern markante Modelle, bisweilen mit Schnitten, die das Image als strenge Ministerin unterstreichen.

Im Umgang mit der Bevölkerung, im Ministerium, mit anderen Politikern ist die politische Pröll-Ziehtochter anders, wie Mitarbeiter und ÖVP-Kollegen bestätigen. Eine Beschreibung fällt dabei am häufigsten: „kumpelhaft“. So erkundigt sich die Chefin dann bei einem Polizeibeamten nach der Familie. Sie lacht und scherzt, wenn sie mit der Bevölkerung redet oder hakt sich selbst jovial bei Journalisten ein. Als Chefin ist sie fordernd. Wird etwas zu ihrer Zufriedenheit erledigt, spart Mikl-Leitner aber öffentlich nicht mit Lob. In der Bundesregierung gibt es kaum jemanden, der mehr Witze auf Lager hat. Darunter solche, die nichts für zart besaitete Gemüter sind.

Nachdem Erwin Pröll nicht ÖVP-Präsidentschaftskandidat geworden und damit die Nachfolge in Niederösterreich verschoben worden ist, könnte Mikl-Leitner 2017 die längstdienende Innenministerin seit einem Vierteljahrhundert werden. Das schmeichelt ihr sichtbar, auch wenn dann künftig wieder der eine oder andere Skaterausflug ausfällt.

ZUR PERSON

Johanna Mikl-Leitner (52) ist seit 21. April 2011 Innenministerin. Vor ihr war als bisher Letzter Franz Löschnak (SPÖ) länger Innenminister – sechs Jahre bis 1995. Die Wirtschaftspädagogin wurde politisch in der niederösterreichischen ÖVP groß, seit November 2011 ist sie ÖAAB-Chefin. Sie ist verheiratet mit Andreas Mikl und hat zwei Töchter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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