Europas Bildung steckt in der Krise

(c) AP (Daniel Ochoa De Olza)
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Schlechte Leser und viele Schulabbrecher: Jeder vierte 15-Jährige kann kaum lesen. Jetzt sollen die Regierungen gegen Leseschwäche und Drop-out kämpfen.

BRÜSSEL. Die Staats- und Regierungschefs sollen sich gegen die Bildungskrise in Europa einschalten. Das werden die EU-Bildungsminister heute, Donnerstag, bei ihrem Treffen in Brüssel fordern. Erwartet wird ein Appell an die Regierungschefs, das Thema bei ihrem nächsten Gipfel am 13. und 14. März in Brüssel intensiv zu behandeln, auf höchster Ebene also. Eingreifen tut offenbar not. Das belegt ein neuer Fortschrittsbericht über Bildung in Europa, den die Bildungsminister heute absegnen werden. Besonders schlecht ist es demnach um das Lesen bestellt.

2006 verstand fast jeder vierte 15-Jährige in Europa nicht, was genau er in der Schule liest, heißt es im EU-Bericht. Im Jahr 2000 waren es noch 21,3 Prozent. Damals haben sich die heute 27 Mitgliedstaaten das Ziel gesetzt, die EU-Quote auf 17 Prozent im Jahr 2006 zu senken. Erreicht haben das die meisten Länder aber nicht. Bildung liegt weiterhin in der Kompetenz der Nationalstaaten.

Auch Österreich schrammt am EU-Ziel vorbei: Hier waren es 2006 21,5 Prozent, die schlecht lesen. Im Jahr 2000 hatte das Land mit 19,3 Prozent noch besser abgeschnitten. Basis der EU-Zahlen bilden die Pisa-Studien der OECD. Mit ihren EU-Amtskollegen wird auch Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ) in Brüssel tagen. Die Hoffnung, welche die Minister dem Vernehmen nach auf die Staats- und Regierungschefs legen: Diese sollten mehr Geld in die Bildungssysteme pumpen, heißt es unter Vertretern der EU-Staaten. Sonst drohe Europa seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.

Burschen im Hintertreffen

Besonders schlecht ist es um die Buben bestellt: Von ihnen ist im EU-Schnitt sogar fast jeder Dritte betroffen (30,4 Prozent). Die Mädchen waren mit 17 Prozent beinahe doppelt so gut beim Lesen. Würde man nur die Mädchen berücksichtigen, wäre das EU-Ziel also erfüllt. „Dass die Buben so weit hinten liegen, muss bedenklich stimmen“, heißt es unter den Mitgliedstaaten. Immerhin würden Folgen für andere Bereiche drohen – zum Beispiel für die Mathematik, wenn Schüler Rechenaufgaben nicht verstehen. In Österreich sind es 27,4 Prozent der Buben, aber nur 15,4 Prozent der Mädchen, die sich mit dem Lesen schwer tun.

Die Bildungsminister wollen sich nun an den erfolgreichsten Modellen in Europa orientieren. Spitzenreiter beim Lesen bleiben die Finnen, die ihren Wert von 7 (2000) auf 4,8 Prozent (2006) verbesserten. Interpretationen reichen von einem intensiveren Unterricht bis zu den Untertiteln im finnischen Fernsehen bei ausländischen Filmen, durch die schon Kinder zu genauem Lesen angehalten wären. Geradezu katastrophal schlossen die Rumänen, das EU-Schlusslicht, ab: Nach bereits 41,3 Prozent schlechten Lesern im Jahr 2000 waren es 2006 sogar 53,5 Prozent, also mehr als die Hälfte der 15-Jährigen. Experten rätseln über Auswege.

Als zweites Problem beschäftigt die Bildungsminister am Donnerstag die Zahl der Abbrecher vor einem Schul- oder Lehrabschluss: Diese sank von 2000 bis 2006 zwar EU-weit von 17,6 auf 15,3 Prozent. Vom gemeinsamen Ziel von 10 Prozent ist man aber noch weit entfernt. Österreich ist laut Experten aufgrund seines dualen Systems mit 9,6Prozent allerdings ein Positivbeispiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2008)

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