Knochenschwund: Eine Spritze gegen Osteoporose

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Langwierige Tabletten-Einnahme kann nun vielen erspart werden: Eine neue effektive Therapie mittels Injektion macht's möglich.

Osteoporose, also Knochenschwund, tritt erstens viel häufiger auf als allgemein bekannt und ist zweitens keine „Frauenkrankheit“ – auch Männer sind davon betroffen, allerdings nicht so häufig wie Frauen. In Österreich gibt es etwa 700.000 Osteoporose-Kranke, jeder vierte von ihnen erfährt erst nach einem Knochenbruch davon. Nur einer von zehn Betroffenen wird rechtzeitig und richtig behandelt.

Chronische Rückenschmerzen

Typische Beschwerden sind unter anderem chronische Rückenschmerzen, Muskelverspannungen, Rundrücken, Rückenfalten, die wie herabhängende Zweige einer Tanne aussehen, Abnahme der Körpergröße, Vorwölbung des Bauches, und in fortgeschrittenem Zustand Knochenbrüche.

Schwerpunkte des kürzlich in St. Wolfgang am Wolfgangsee abgehaltenen 15. Österreichischen Osteoporose-Forums waren daher Früherkennung und richtige Therapie. Nach wie vor hat die Knochendichte-Messung für (Früh-)Diagnose und Therapiekontrolle einen zentralen Stellenwert.

Warnung: Vitamin D-Defizit

Univ.-Prof. Dr. Harald Dobnig von der Grazer Universitätsklinik für Innere Medizin plädiert darüber hinaus für eine Kontrolle des Vitamin D-Spiegels, insbesondere bei älteren Menschen. Für den Knochenaufbau sei neben Kalzium auch ausreichend Vitamin D erforderlich. Das Tageslicht trage zwar zum Auffüllen des Vitamin D-Speichers bei, aber gerade gebrechliche Menschen hielten sich wenig im Freien auf. „Ein Vitamin D-Defizit kann trotz Einnahme von Kalzium- und Vitamin D-Präparaten auftreten“, warnt Dobnig.

Große Therapie-Untreue

Spezielle Medikamente können den Knochenabbau bremsen und die Gefahr von Knochenbrüchen deutlich senken, etwa die Bisphosphonate. Sie gab es bisher nur in Tablettenform oder mittels lang andauernder Infusionen.

Aber auch die Tabletten-Einnahme ist mühsam: Sie muss für mindestens drei bis fünf Jahre erfolgen, die Einnahme-Vorschriften müssen genau befolgt werden. Die Tabletten müssen genau eine halbe bis eine Stunde vor dem Frühstück mit einem Viertel Liter Wasser geschluckt, der Oberkörper muss während dieser Zeit aufrecht gehalten werden. Erst nach der vorgeschriebenen Zeit darf gegessen werden.

Diese Einnahme-Prozedur wird von vielen Patienten nicht eingehalten, wofür es verschiedene Gründe gibt, etwa Schmerzen beim Schlucken, Erkrankungen der Speiseröhre, des Magen-Darmtraktes, ein Unvermögen, 30 Minuten lang aufrecht zu sitzen oder zu stehen. Nach zwölf Monaten jedenfalls haben laut Statistik bereits 50 Prozent der Patienten die Therapie abgebrochen.

100-prozentige Bioverfügbarkeit

All das kann Patienten nun erspart werden. Das neu entwickelte Bisphosphonat Ibandronat wird in Form einer Fertigspritze alle drei Monate vom Arzt in die Vene injiziert. Ein Arztbesuch viermal im Jahr ersetzt die aufwendige Einnahme und ermöglicht zugleich eine Kontrolle des Therapieerfolges. „Aufnahme und Wirksamkeit des Medikaments werden dadurch wesentlich verbessert. Bisher gab es für schwer kranke Patienten, die die Tabletten nicht schlucken konnten, nur stundenlange Infusionen“, betont Univ.-Prof. Dr. Martin Pechersdorfer vom Wilhelminenspital Wien.

Vor allem aber kann die für den Erfolg so wichtige Therapietreue sicher gestellt werden und damit die effiziente Senkung des Knochenbruch-Risikos. Die Injektion hat zudem therapeutische Vorteile: Sie wird gut vertragen, es wird eine 100prozentige Bioverfügbarkeit erreicht, oral erreicht man nur etwa ein Prozent.

Neuerdings wird auch ein Zusammenhang zwischen Osteoporose und einer Verkalkung der Gefäße, der Arteriosklerose, für möglich gehalten. Bei Patienten mit Bluthochdruck, Diabetes, Übergewicht, insbesondere bei Frauen, wird ein höherer Knochenabbau beobachtet. Den Zusammenhang zwischen Osteoporose und Arteriosklerose vermutet Prof. Dobnig bei den gemeinsamen Risikofaktoren wie Rauchen und Alkohol sowie bei einem niedrigen Vitamin D-Spiegel, der sowohl für den Knochenabbau als auch für die Gefäßverkalkung eine Rolle spielt.

Viel Bewegung im Freien

„Die Patienten sollten daher ihren Arzt auf zusätzliche Risikofaktoren aufmerksam machen“, plädiert Univ.-Doz. Dr. Ludwig Erlacher, von der 2. Medizinischen Abteilung am Kaiser Franz Josef Spital in Wien.

„Auch bestimmte Medikamente, etwa Cortison, Erkrankungen wie Polyarthritis, und erbliche Belastung, wenig Bewegung und falsche Ernährung erhöhen das Risiko für beide Krankheiten. Eine ganz entscheidende Rolle aber spielt das Alter und nachdem die Menschen immer älter werden, wird die Vorbeugung und rechtzeitige Behandlung immer wichtiger“, erwähnt Erlacher.

Zu den Präventivmaßnahmen zählen die Experten eine Kalzium- und vitaminreiche Ernährung schon von Kindheit an und viel Bewegung im Freien.

KÄSE: Emmentaler für starke Knochen.

Vorbeugung. Der Osteoporose lässt sich u. a. mit Kalzium-reicher Kost vorbeugen. Dazu zählen Milch und Milchprodukte – Käse (vor allem Emmentaler und Parmesan) ist eine hervorragende Kalzium-Quelle –, grünes Gemüse, Mineralwasser.

Kalzium-Räuber sind Paradeiser, Rhabarber, Fleisch, Wurst, erhöhter Salz- und Eiweiß-Konsum, Koffein, Alkohol, Rauchen.

Ziel einer Osteoporose-Behandlung ist es, die Knochendichte zu erhöhen und damit das Risiko von Knochenbrüchen zu reduzieren.

Buchtipp: „Knochenhart! Osteoporose verhüten, behandeln und regenerieren. Das Selbsthilfebuch“, Jopp/Oesch-Verlag, 144 Seiten, 13,30 €. Verständlich und praxisnah erklärt der Heilpraktiker, Dozent und Autor Gerhard Leibold die Entstehung und den Verlauf von Osteoporose. Vorgestellt werden unter anderem Methoden zur Vorsorge (wie vollwertige Ernährung und gezielte Gymnastik) sowie medikamentöse Behandlung und alternative Heilmethoden.

Hilfe: Osteoporose Selbsthilfegruppe: ? 01/522 63 35. [EPA]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2007)

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