Trimondi: Mit Stechen vollauf beschäftigt

"Religion ist Krieg": die kurze Botschaft des Paares Trimondi.

Der neueste Wälzer aus der Werk statt von Victor und Victoria Tri mondi (Herbert und Mariana Röttgen) trifft mich an einem heiklen Punkt, weil ich als Titel meines Vortrags über Formen heiliger Militanz am Philosophicum Lech im Herbst 2000 die Schlagzeile "Religion ist Krieg" wählte. Eben dies ist auch die Botschaft der Trimondis.

Kennen gelernt habe ich Herbert Röttgen (geboren 1940) bei den Thurns auf Rastenberg im Waldviertel. Als ursprünglich linker Verleger durchlebte er eben eine spirituelle Phase. Ich las seine "Vulkantänze" (1978), schrieb 1981 einen Beitrag für "Die Rückkehr des Imaginären" in seinem Verlag und ärgerte mich, als Röttgen den Dalai Lama zusammen mit einer Hopi-Indianerin auf der Frankfurter Buchmesse 1982 feierte, sozusagen als Antipoden, was mir überspannt vorkam. 1986 war Ende für den Dianus-Trikont-Verlag Röttgens und auch für dessen spirituelle Phase. Er heiratete und trat in eine "kulturkritische" Phase ein, die bis dato andauert.

Deren erste Frucht, eine voluminöse Attacke auf den tibetischen Buddhismus und die Person des 14. Dalai Lama, kam 1999
auf den Markt und verursachte ein kleines Getöse unter Kennern der asiatischen Heilswege. Gefördert von der Hans-Sauer-Stiftung (München) widmeten sich die Trimondis dann der "unheiligen Allianz" Hitler - Buddha - Krishna (2002) und gruben schließlich nach den terroristischen Wurzeln der Weltreligionen. Das Ergebnis ist jetzt im angesehenen Wilhelm Fink Verlag erschienen und möchte gelesen werden.

Getretener Quark wird breit, nicht stark (Ernst Bloch). Die "apokalyptische Matrix", sorgsam abgetastet von den Trimondis über 2000 Jahre hinweg, erweist sich bei der Lektüre als endlose Wiederholung eines Originals, das auf wenigen Seiten Platz findet, etwa im Artikel "Apokalyptik/Messianismus/Chiliasmus" von Hans G. Kippenberg (im Handbuch religionswissenschaftlicher Grundbegriffe Band II, 9-26). Die Trimondis reduzieren die Sache auf acht Punkte, was auch geht. Der Rest mag als Steinbruch fürs Feuilleton dienen, wenn es wieder einmal irgendwo gekracht hat.

Terroristen aus Fleisch und Blut vom Typ des Michael "Bommi" Baumann (verhaftet 1981 in London und längst wieder in Freiheit) werden sich in der apokalyptischen Matrix kaum wiedererkennen. Herbert Röttgen hat während seiner "revolutionären" Phase die Erinnerungen Baumanns 1975 veröffentlicht. In ihnen ist vom Blues die Rede und von der Seelenverfassung eines Menschen, der in der Illegalität lebt. Wenn du irgendwo hinkommst, so Baumann, bist du genau der, der du im Augenblick bist. Dich verfolgt ja keine Geschichte mehr.

Das waren halt noch Zeiten, als Klaus Wagenbach 1971 einen Text der "Rote-Armee-Fraktion" über den bewaffneten Kampf in Westeuropa druckte, komplett mit dem Emblem der Maschinenpistole im fünfzackigen Stern. Über die RAF schweigen die Trimondis, weil sie nicht in ihr Konzept passt. Die "offiziellen Religionen", so die Trimondis, "sind früher oder später dazu gezwungen, zu den Gewaltstellen in ihren Heiligen Schriften, zu ihren katastrophalen Endzeit-Prophezeiungen, zum militanten Messianismus, zum Heiligen Krieg und zum Gottesstaat offen Stellung zu beziehen. Natürlich werden sie das Problem so lange verdrängen wie das nur möglich ist, denn es trifft auf einen Akupunkturpunkt ihres eigenen zentralen Nervensystems." Wohl wahr, siehe oben. Gottlob habe ich in Lech gesagt, dass ich vom Beispiel der Mutter Teresa jederzeit widerlegt werden kann. Ich lasse mich gerne widerlegen.

Nicht so Victor und Victoria Trimondi, die mit Stechen vollauf beschäftigt sind. Hoffentlich lassen sie wenigstens die Mutter Teresa in Ruhe. Für die Therapie religionspolitischer Krampfzustände bleibt die Sprechstunde von Friedrich Heer ("Gottes erste Liebe" 1967) weiterhin die beste Adresse.

Victor und Victoria Trimondi
Krieg der Religionen
Politik, Glaube und Terror im Zeichen der Apokalypse. 598 S., geb., € 41,40 (Wilhelm Fink Verlag, Paderborn)

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