Mitarbeiter sind ihr eigener Feind

Gesundheit. „Command and Control“ sind passé, Mitarbeiter sollen wie Unternehmer agieren. Klaus Peters nennt dieses System „indirekte Steuerung“, bei dem Erfolg statt bloßen Bemühens gefragt ist.

Viel ist die Rede von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Vor allem von gesundheitsgefährdenden Fehlbelastungen. Ein Ansatz, ihnen zu begegnen, ist, die Ursachen zu bekämpfen. Nachhaltig wirksame Prävention, sagt hingegen Klaus Peters, Gründer und Forscher des Berliner Cogito-Instituts, könne auch bei den Ursachen der Zunahme an Fehlbelastungen ansetzen.

Denn Peters sieht eine maßgebliche Entwicklung: Organisationen sind von der direkten zur indirekten Steuerung übergegangen. Bei der direkten Steuerung galten „Zuckerbrot und Peitsche“ bzw. „Command and Control“: Die Mitarbeiter wurden je nach Situation belohnt oder bestraft und ordneten ihren Willen jenem der Organisation unter, verinnerlichten diesen fremden Willen und leisteten im Optimalfall vorauseilenden Gehorsam.

Anders funktioniert die indirekte Steuerung: Für weisungsgebundene Beschäftigte reicht es nicht mehr aus, sich bei ihrer Tätigkeit Mühe zu geben, sie müssen in erster Linie Erfolge vorweisen. Das heißt: Sie müssen wie selbstständige Unternehmer denken und handeln. Ohne aber über entsprechende Handlungs- und Entscheidungsspielräume zu verfügen.

Peters hat Merkmale herausgefiltert, an denen sich indirekte Steuerung erkennen lässt: In Anlehnung an Management by Objectives stehen Ergebnis- und Erfolgsorientierung im Fokus. Ziele werden dynamisch verändert, Leistungsdynamiken werden über interne Konkurrenz zwischen Teams oder Betriebsstandorten provoziert. Rahmenbedingungen werden top-down festgelegt und die Verantwortung, Ziele zu erreichen, top-down delegiert.

Die indirekte Steuerung, bei der Erfolg statt Bemühen gefordert wird, hat eine besondere Konsequenz: „Mitarbeiter arbeiten wie die sogenannten Existenzgründer getrieben von der Hoffnung auf Erfolg und der Angst vor Misserfolg unter Aufbietung aller Kräfte – wenn nötig rund um die Uhr“, sagt Peters. „Sie nehmen im Zweifel keine Rücksicht auf ihre eigene Gesundheit.“ Peters prägte dafür den Begriff der „interessierten Selbstgefährdung“: Die eigene Arbeitszeit wird ausgedehnt, Sicherheits- und Schutzstandards werden umgangen, die Qualität sinkt, es wird gearbeitet, obwohl man krank ist (Präsentismus), etc.

Widerstand programmiert

Für die betriebliche Gesundheitsförderung hat das gravierende Folgen: „Regelungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung werden nämlich vorhersehbarerweise auf den Widerstand derjenigen stoßen, um deren Gesundheit es geht“, sagt Peters, weil Mitarbeiter eher bereit wären, ihre Gesundheit als einen Misserfolg zu riskieren.

Das zeigt sich etwa am Beispiel des Präsentismus: Früher fürchteten Arbeitgeber, Mitarbeiter würden zu Hause bleiben, obwohl sie gar nicht krank waren. Heute müssen sie damit rechnen, dass Mitarbeiter zur Arbeit kommen, auch wenn sie krank sind. Früher habe die „Flucht in die Krankheit“ einen Ausweg geboten, heute erhöhe die Angst vor der Krankheit den Druck im Arbeitsalltag, sagt Peters.

Dennoch warnt er davor, die Mitarbeiter vor sich selbst schützen zu wollen. Er plädiert für mehr Eigenverantwortung aufseiten der Mitarbeiter und fordert die Führungskräfte dazu auf, die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Zudem sollten Maßnahmen wie aussagekräftige Frühwarnsysteme etabliert und die indirekte Steuerung gelockert, also Controlling und Prozessvorgaben reduziert werden. Mitarbeiter und Betriebsrat sollten mehr Mitsprachemöglichkeiten erhalten, wenn Ziele festgelegt werden.

Dabei stellt sich Peters nicht gänzlich gegen das Controlling. Er schlägt vor, Gesundheit im Kennzahlensystem zu berücksichtigen.

ZUR PERSON

Klaus Peters istGründer und einer der Forscher des Berliner Cogito-Instituts für Autonomieforschung. Er ist einer der Keynote-Speaker beim Jahresforum für Betriebliches Gesundheitsmanagement am 25. und 26. Juni in Wien. www.businesscircle.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2015)

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