Film: Alte Jungfer und Kinderschänderin

Judi Dench, Oscar-nominiert, in „Notes on a Scandal“: Misogynie für gehobene Ansprüche.

Keine der zwei Frauen ist wirklich sympathisch. Die naive Kunstlehrerin Sheba Hart (Cate Blanchett) beginnt ein Verhältnis mit einem minderjährigen Schüler, die sehr einsame Geschichtslehrerin Barbara Covett (Judi Dench) manipuliert das Verhältnis zu ihren Gunsten. Nicht besser die Männer: Für den Schüler ist die Affäre eine Art Trophäe, Shebas Ehemann (Bill Nighy) hält sich, gesellschaftlich gesehen, für eine so gute Partie, dass er den beträchtlichen Altersunterschied zu seiner Frau ignoriert. Es folgt, was folgen muss, wenn vier Egozentriker einander ins Gehege kommen: eine Katastrophe. Hier: Der titelgebende Skandal.

Notes on a Scandal ist von Richard Eyre nach einem Drehbuch von Patrick Marber inszeniert: Der zeigte zuletzt mit der Vorlage für Closer beträchtliches Talent für gnadenlose, geradezu grausame Darstellung menschlicher Schwächen, Obsessionen und Verwundbarkeit. Ohne Identifikationsfigur bleibt dem neutralen Zuschauer in Scandal aber nur ein eher abstraktes Vergnügen: Das Gipfeltreffen zweier großartiger Aktricenanzusehen.

Anrührend: unerfüllte Sehnsüchte

Dench und Blanchett geben den wenig einnehmenden Figuren emotionale Tiefe und Komplexität, die schließlich über den frauenfeindlichen Kern des Stoffes hinwegtröstet. Die unerfüllten Sehnsüchte der alten Jungfer und der Kinderschänderin rühren schmerzlich an, ihre unselige Notgemeinschaft (die Bezeichnung „Freundschaft“ wäre unverdient) zeigt sich realistisch als Gefüge von Abhängigkeiten, dessen Machtverhältnisse sich stetig ändern. Sheba (miss)braucht Barbaras Schweigen und Barbara (miss)braucht Shebas Vertrauen. Sheba und Barbara (miss)brauchen einander.

Zuletzt flüchtet der Film überhastet ins Unwahrscheinliche, Kolportage überwältigt die Handlung. Aber dramaturgische Einwände verblassen vor Denchs verbitterter Barbara, die ihr Leben lang als Zaungast das Glück der anderen betrachten musste, vor Blanchetts ätherischer Träumerin, deren Abenteuer mit einer Bauchlandung endet. Der Mix aus Melodrama und Psycho-Horror hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck, gemildert vom Triumph zweier wunderbarer Darstellerinnen über die Unzulänglichkeiten des Materials. als

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2007)

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