Comic-Verfilmung "300": Vorfreude auf den Heldentod

Romantische Sparta-Krieger gegen perverse Perser: Zack Snyders kontroverse Comic-Verfilmung "300".

Welten verschmelzen: In Zack Snyders Adaption von Frank Millers preisgekröntem Comic "300" schreitet das Archaische durch hypermoderne Oberflächen. Der Effekt - eine Travestie: Konservatives verkleidet sich hier als Unterhaltungszukunft. Innovation wird suggeriert, aber Snyders Inszenierung des Heros ist rückwärtsgewandt.

Zur Geschichte: Millers Vorlage entsprang einer Faszination für spartanischen Kriegerethos, der durch die Schlacht bei den Thermopylen zum Mythos wurde. Die Überlieferungen - Basis für Comic wie Film - berichteten von 300 Spartanern im Kampf gegen Millionen von blutrünstigen Persern. (In aktuellen Interpretationen sind die Heere zumindest zahlenmäßig angenähert.)

Marschierende Körper wie bei Riefenstahl

Protagonist von 300 ist Leonidas I. (autoritär: Gerard Butler), König des griechischen Stadtstaats Sparta: Sein Kriegerethos befeuert die Gefolgschaft, als er nach Drohgebärden des megalomanen persischen Großkönigs Xerxes I. (orientalisch: Rodrigo Santoro) zum aussichtslosen wie stolzen Gegenschlag ausholt. Ein enger Gebirgspass soll die zahlenmäßige Überlegenheit der Perser relativieren, mittels Phalanxformation feiern die Griechen große Erfolge. Inzwischen will Spartas Königin Gorgo (Lena Headey), die sich das Rederecht in der Apella hart erkämpfte, die anderen wehrfähigen Spartaner von der Notwendigkeit der Truppenverstärkung für den Gatten überzeugen.

Wie schon in der verunglückten Adaption von Millers "Sin City" trägt die ästhetische Sensation die dünne Geschichte nicht: Snyder inszeniert eine Kopie der Comics, setzt die Figuren als bunte Punkte vor monochromatische Hintergründe, erzielt ein hohes Maß an Abstraktion und Flächigkeit. Dass tatsächliche Menschen in den Heldenkörpern stecken, belegt lediglich der Abspann.

Die Körper sind in 300 überhaupt erzählendes Element: Die Spartaner haben ihre Leiber zur perfekten Kampfmaschine trainiert, Xerxes hingegen ist hünenhaft, aber schlank, mit Hang zum Effeminierten. Am Verräter Ephialtes zeigt sich der faschistische Grundgedanke der Polis Sparta: Seine körperliche Deformation bedingt den Armee-Ausschluss, woraufhin er sich den Persern als Spion anbietet. Göring erhob 1943 den spartanischen Krieger zum nationalsozialistischen Ideal, in Snyders Inszenierung marschieren gleichgeschaltete Männerkörper gen Schlachtfeld und erinnern an die Propagandafilme Leni Riefenstahls.

Heldenpathos für die traumatisierten USA

300 denkt den Okzident anhand Spartas als protofaschistische Gesellschaft unter den Grundsätzen der Reinheit, alles andere ist Orient - ein Sammelsurium von Normabweichungen. In der Perser-Armee dienen sogar an Ketten geführte Monster. Eine vielsagende Sequenz im Perser-Großzelt zeigt Deformierte, Lesben und asiatische Transvestiten: Vielgestaltigkeit unter dem Schirm der Toleranz sollte eigentlich ein Ideal westlicher Industriegesellschaften sein, hier wird sie als dem Freiheitsgedanken abträglich inszeniert. Die Spartaner hingegen, rein historisch der Knabenliebe zugetan, verbieten sich jegliche Gefühlsregung (mit Ausnahme der Vorfreude auf den Heldentod) und frönen, so überhaupt, heterosexuellen Lüsten.

Auf dem Spiel steht ein Heldenbild, in das die USA nach nationalen Traumata viel investiert haben: Ob Feuerwehrmann oder Polizist - neue Helden braucht das Land, auch wenn die mechanisierte Anonymität moderner Kriegsführung den heldenhaften Tod eines Einzelnen längst verunmöglicht hat.

Aber der romantische Krieger erstarkt in Hollywoods Fantasy-Boom neu, bereitet gar der Demokratie die Wiege: Dank der 300 Spartaner hätten sich griechische Stadtstaaten zusammenschließen und die Perser vernichtend schlagen können. Ob Snyders Effektfilm der dominanten Ideologie zuarbeitet oder diese unterminiert, bleibt offen - 300 ist keine Tendenz, außer der zum Spektakel, abzulesen; aber er erneuert das Heldenpathos für eine Nation. 300 bedeutet Ruhm für die Ruhmlosen, bedeutet Balsam für die postheroische Gesellschaft, deutet vielleicht auch das Schlagwort "Digital Warfare" neu: Der Held von morgen ist virtuell.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.