"300": ... ist eine Beleidigung

Film und Politik. Der Hollywood-Film über die Thermopylen-Schlacht ist in Teheran noch immer im Gespräch: Ein Beleg für die Renaissance persischen Nationalismus.

Es ist ein lauer Samstagabend auf der Dachterrasse eines Hauses in Nord-Teheran. Die Lichter der Zwölf-Millionenstadt funkeln, der Gebirgszug des Elburs zeichnet sich schemenhaft im Dunkel ab. Hühnerteile liegen am Grill, es gibt billigen, selbstgebrannten Wodka und Johnnie Walker Red Label Whiskey. Teherans Tugendwächter könnten die Party, zu der eine bunte Schar an Künstlern, Ingenieuren und Geschäftsleuten gekommen ist, jederzeit sprengen und alle Anwesenden ins Gefängnis werfen: Alkoholkonsum ist in der Islamischen Republik streng verboten.

Beim Small Talk geht es um die Inflation, die Treibstoff-Rationierungs-Chipkarte, die explodierenden Immobilienpreise, die Kampagne der Tugendwächter – und um den Film 300. Dariush, ein erfolgreicher Geschäftsmann Mitte 30, hat erst kürzlich bei einer Internet-Petition gegen den Film unterschrieben. „Er ist eine Beleidigung für die iranische Nation“, sagt er.

In der Hollywood-Adaption des Frank-Miller-Comic geht es um die Schlacht bei den Thermopylen im Jahr 480v.Chr., bei der eine kleine Gruppe von Spartanern einer persischen Übermacht standgehalten hatte. Der griechische König Leonidas wird von Regisseur Zack Snyder als edler Idealist dargestellt, der persische König Xerxes als Anführer einer wilden Horde von Barbaren.

Schon im März, als der Film in den USA anlief, gingen in Teheran die Wogen hoch. 300 sei „kulturelle und psychologische Kriegsführung“, verlautete aus Regierungskreisen. Im Staatsfernsehen hieß es, „die zionistische Warner Bros.“ versuche, „eine Propaganda-Front gegen die antiken und historischen Wurzeln des Iran zu eröffnen“.

Die Aufregung hält immer noch an. Die jüngste Ausgabe des Monatsmagazins „Shahr Vand“ widmet sich dem Film. In einem Artikel wird er in eine Reihe mit der Verfilmung von Betty Mahmoodys „Nicht ohne meine Tochter“ gestellt, es wird auch der Hinweis nicht vergessen, dass selbst im „US-kritischen“ Film Syriana Szenen gezeigt würden, in denen die Jugend von Teheran rauschende Partys feiert, zu denen ein CIA-Agent eingeladen ist.

300 hat etwas geschafft, das heutzutage selten in Iran ist: einen Konsens zwischen Regierung und Opposition, konservativen und pro-westlichen Gruppen, Jung und Alt, Taxifahrern und Studenten herzustellen. Eine Tageszeitung brachte die Stimmung auf den Punkt: „300 gegen 70 Millionen“.

Der Schah verglich sich mit Kyros

Doch die lautstarke Kritik des offiziellen Iran ist auch ein Indiz für das Erstarken des persischen Nationalismus: Warum sollte ein islamischer Staat einen persischen Herrscher einer prä-islamischen Epoche in Schutz nehmen? Die Glorifizierung des Achämenidenreiches wurde zuvor vor allem von Shah Reza Pahlevi betrieben, der sich vor dem Grab von König Kyros zum „König der Könige“ krönen ließ, ein Titel, der im Altpersischen Reich verwendet wurde. Phalevi ersetzte auch den islamischen Kalender durch einen neuen, an dessen Beginn die Gründung des Achämenidenreiches stand.

Der postrevolutionäre Iran wollte mit der Antike nichts zu tun haben, die Zerstörung des Grabmals von König Kyros konnte nur knapp verhindert werden, der Name des Teheraner Fußballklubs „Persepolis“ wurde auf „Pirouzi“ geändert.

Doch all das hat sich mittlerweile geändert: „Pirouzi“ heißt seit einiger Zeit wieder „Persepolis“, Persepolis selbst wird als Sehenswürdigkeit angepriesen, der 2005 vom Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei unterstützte Präsidentschaftskandidat Ali Larijani (nun Chefunterhändler bei den Atom-Verhandlungen) posierte für ein Wahlplakat vor einem Bild der Ruinen von Persepolis.

Die religiöse Führung musste erkennen, dass sich vor allem die Jugend für die prä-islamische Ära interessiert. „Dieses Interesse ist zum Teil eine Reaktion auf die Bedeutung, die in den iranischen Schulen dem Erlernen der arabischen Sprache und der islamischen Kultur beigemessen wird“, schreibt der britische Iran-Kenner Christopher de Bellaigue in der „New York Review of Books“.

Prä-islamische Namen sind populär

Es gibt in Teheran eine Reihe von neuen Büchern auf Persisch über das Achämenidenreich, die Sassaniden, Zarathustra, prä-islamische Namen wie Dariush oder Yasna sind sehr populär und wohl ein weiteres Zeichen einer Renaissance des persischen Nationalismus. Da will die Regierung der Islamischen Republik nicht abseitsstehen.

Das sieht auch Dariush, Gastgeber der nächtlichen Party, so. Doch sein Ärger über 300 hat einen anderen Grund: Für ihn zählen die Könige des Achämenidenreiches zu den besten Herrschern, die der Iran je hatte – „neben dem von den Briten mit Hilfe des CIA gestürzten Premierminister Mohammed Mossadeq“: Die Könige von Persepolis lehnten die Sklaverei ab, verabschiedeten die erste Menschenrechtserklärung. Man solle im Westen einmal in der Bibel nachlesen, sagt Dariush, „sogar die Juden haben nur Gutes über die Perser zu berichten. König Kyros war es, der den Juden erlaubt hat, aus der babylonischen Gefangenschaft nach Jerusalem zurückzukehren“. Das Problem sei, dass es keine persische Geschichtsschreibung über diese Epoche gebe, sondern nur Zeugnisse von griechischen Autoren. „Schon damals waren die Medien unfair zu uns“, sagt Dariush und lacht.

NATIONALISMUS-RENAISSANCE.

Die Islamische Republik setzt vermehrt auf Patriotismus und besinnt sich der vor-islamischen Größe des Iran.

Persepolis, die altpersische Residenzstadt, wurde herausgeputzt und zu einem Symbol einer vergangenen glorreichen Ära.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.