Filmkritik: Die digitalisierte Demontage

Der Action-Held als Auslaufmodell: Bruce Willis, verloren angesichts virtueller Bedrohung.
Der Action-Held als Auslaufmodell: Bruce Willis, verloren angesichts virtueller Bedrohung.(c) Centfox
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Neu im Kino. Update? Abklatsch! Bruce Willis in "Stirb langsam 4.0". Ab Mittwoch.

Wäre es nicht so einfallslos, dann wäre es fast rührend, wie in Stirb Langsam 4.0 nochmals versucht wird, ein Idol der Achtziger anstandslos wiederzubeleben: Polizist John McClane, dessen Körper stets unsägliche Strapazen dulden musste, was sein Schandmaul nicht am coolen Sprücheklopfen hinderte, war die Paraderolle für Bruce Willis – einer der letzten Underdog-Actionhelden.

Die waren proletarisch und analog geerdet: Als 1988 der erste Die-Hard-Film erschien, waren sie also eigentlich schon zum langsamen Aussterben verurteilt (die Abschiedsrunden zogen sie zunehmend via Videothek), ohne es zu wissen. Was dem Titel Stirb langsam, jedenfalls retrospektiv, eine gewisse geradezu visionäre Größe verlieh.

Umso kleinmütiger wirkt nun das vermeintlich moderne Fortsetzungs-Anhängsel 4.0 (in den USA dachte man in letzter Minute um und gab sich patriotisch: Live Free or Die Hard). Aber Stirb langsam 4.0 ist weniger Update als Auslaufmodell, das gilt insbesondere für den verloren wirkenden Bruce Willis, dessen gealterter Körper wegen vermeintlich zeitgemäßer Bedrohung leidet: „virtueller Terrorismus“. Via Internet legen Bösewichter die USA lahm, eine Attacke wie aus dem TV-Hit „24“, eine der offensichtlichsten Inspirationen für die zähe Zutaten-Melange des Films.

Gerade im Vergleich wird der Anachronismus deutlich: Agent Jack Bauer, der von Kiefer Sutherland gespielte „24“-Protagonist, ist der Post-9/11-Held, zu allem bereit für sein Land. In der jüngsten sechsten Staffel folterte er, ohne mit der Wimper zu zucken, auch gleich den eigenen Bruder, weil die Zeit drängte – und die Resultate geben ihm natürlich Recht. Was ist dagegen das bisschen Familie in Stirb Langsam 4.0?Willis' Figur hat Probleme, weil die Tochter mit Jungs ausgeht: ein konservativer Held, so altmodisch, dass er sich über Creedence Clearwater Revival im Radio freut.

So war es offenbar auch gedacht: Das bisschen Update unterfüttert mit Bewährtem, das aber noch blasser bleibt – als müsste die Erinnerung an frühere Teile genügen, wird weniger erzählt als zitiert: Der antiautoritäre McClane erregt sich kaum noch wegen bremsender Vorgesetzter, so selbstverständlich ist das, sogar seinen kultigen „Yippie-Kay-Yeah“-Ruf darf er nur in abgemilderter Form bringen: Eine US-Altersfreigabe ab 13 bringt mehr potenzielles Publikum. Hart sind bloß noch abfällige Witze über schlagfertige Frauen: Nur Hollywoods Doppelmoral überlebt unbeschadet.

Sogar die Statisterie ist unbeeindruckt

Als Anachronismus, als „alte Schule“ soll die Willis-Figur sympathisch sein: aufgeschmissen also angesichts der großen Online-Verschwörung. Ergo kriegt er einen „systemkritischen“, doch bald bekehrungsfähigen Computer-Hacker (Justin Long) zur Seite – das sorgt für lustig gemeinte, aber anstrengende Konversationen und die übliche Unglaubwürdigkeit, wenn die Traumfabrik online gehen will. Bezeichnenderweise findet sie sich auch da letztlich nur selbst: Den Ober-Hacker und Über-Nerd, der zwischen Gerätschaften und Merchandising-Puppen-Sammlung in Mamas Keller lebt, spielt natürlich der selbst ernannte Vorzeige-Nerd im Filmbusiness, Kevin Smith.

Ansonsten findet sich weniger und weniger: Regisseur Lew Wiseman brachte von den Underworld-Filmen den Blaufilter mit und die Bereitschaft, Actionszenen unübersichtlich zu schneiden. (Symptom: Für eine Attacke hat man den akrobatischen Helden des französischen Action-Hits Banlieue 13geborgt und dann dessen Bewegung schnöde zerlegt.) Zur Inkohärenz passt der Wechsel aus Thrill-Versuch und wissender Selbstparodie: Eine ironischerweise aus Reden von US-Präsidenten montierte Terroristen-Botschaft auf allen TV-Sendern soll auch verstören (freilich: die Statisterie ist den ganzen Film über unbeeindruckt), dann schießt man zwischendurch einen Hubschrauber per Auto ab. Das bleibt: die Action, ein Witz.

Denn in der zweiten Hälfte stockt der Film immer öfter im formelhaften Wechselspiel langwieriger Erklärungen des Allereinfachsten und kurzatmiger Auseinandersetzungen, die unbeabsichtigterweise den Mythos McClane endgültig demontieren. Dessen schmerzliche Blessuren, Mitleide-Basis seiner Underdog-Anziehungskraft, werden so unerheblich wie die Story, beides versinkt nämlich zuletzt im digitalisierten Matsch: Ein ohnehin überflüssiges Duell zwischen Truck und Kampfjet ist so unecht gerechnet, dass seine Folgenlosigkeit für den Körper von Willis das einzig Echte an diesem missglückten Wiederbelebungsversuch bleibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2007)

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