Quentin Tarantino: Postmoderner Fundus

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Quentin Tarantinos neuer Film "Death Proof" ist nicht nur ein cleveres Loblied auf analoge Action und weibliche Fankultur, er ist auch wieder voller Verweise auf andere Filme. Fünf Kultklassiker werden ausgiebig diskutiert. Eine unterwürfige Würdigung.

Nichts war in den 1990ern so angesagt wie postmoderne Ironie, also wurde Pulp Fiction ein Welthit und sein Regisseur Quentin Tarantino als oberschlauer Zitat-König von der Kulturschickeria gefeiert. Ein Missverständnis: Bei allem Witz ist es Tarantino ernst mit seiner Liebe zu den Figuren wie zu Trash-Filmen, das bewies die prompt unterschätzte Ballade Jackie Brown. Dass er dann mit dem zweiteiligen Epos Kill Bill in völliger Meta-Film-Maßlosigkeit schwelgte, haben ihm viele überforderte Möchtegern-Hipster in den Feuilletons dieser Welt nicht verziehen: Das spricht eigentlich für Tarantino. Für ihn spricht auch sein vorzüglicher neuer (Meta-)Action-Film Death Proof, ursprünglich Teil eines Doppelfilm-Tributs ans Trash-Kino der 70er: Da verzichtet er auf den Größenwahn von Kill Bill, nicht aber auf die Zitierfreude. Nebenbei-Verweise wie das (hier zum Lapdance führende) Robert-Frost-Gedicht aus dem Bronson-Agententhriller Telefon überlassen wir bis auf Weiteres Komplettisten, hier ist der Grundkurs: fünf Kultfilme, die von den coolen Fan-Girls in Death Proof ausgiebig diskutiert werden. Zu Recht.

1. Vanishing Point (1971)

Auch der deutsche Titel Fluchtpunkt San Francisco bewahrt den Grundton: Antiautoritärer Pop-Existenzialismus aus der Post-Hippie-Ära. Barry Newman, bald als TV-Anwalt „Petrocelli“ auf der anderen Seite des Gesetzes, als legendärer Ex-Rennfahrer Kowalski, der nach einer Wette auf Zeit im Dodge Challenger R/T quer durch die USA rast. Die Polizei bald hinterher: Aber der blinde DJ Super Soul feiert Kowalski als Freiheitssucher – und unterlegt die Raserei mit erstklassiger Musik. Inspirierte die Brit-Rocker Primal Scream 1997 zum gleichnamigen Album, im selben Jahr gab es ein TV-Remake. Das Original bleibt unantastbar: im Pantheon der Road Movies.

2. Dirty Mary, Crazy Larry (1974)

Kesse Mary – irrer Larry übersetzte die deutsche Synchronisation kreativ, aber der wahre Star des Films ist nicht Larry (irre: Peter Fonda), geschweige denn Mary (kess: Susan George), sondern das Auto, in dem sie nach einem Überfall von der Polizei gejagt werden: Im Rampenlicht steht ihr Dodge Charger R/T, seine grünliche Gelbschattierung heißt passenderweise „Limelight“. Ein absoluter Drive-In-Klassiker mit legendärem Knalleffekt zum Schluss, von Tarantino schon in Jackie Brown gewürdigt und 1996 beim ersten Tarantino-Filmfest in Austin gezeigt.

3. Gone in 60 Seconds (1974)

Das „Remake“ mit Nicolas Cage ist bes-
tenfalls Beleidigung: Das Regiedebüt von Auto-Stuntman und Hauptdarsteller H. B. Halicki ist ein Meisterwerk des materialistischen Kinos, der Straub/Huillet-Film für Straßenrennen-Fetischisten. Diebstähle sind Vorwand, um 93 Wagen in 97 Minuten zu verschrotten (ergo der schön billige deutsche Titel: Die Blechpiraten) – der Film kulminiert in einer 40-minütigen Verfolgungsjagd, hört mit ihrem Ende einfach auf, Handlung egal: Das ist Konsequenz! Wie im Vorspann: Als Aktrice genannt wird nur „Eleanor“, der gelbe Mustang, in dem Halicki am Schluss über eine Wrack-Parade in die Freiheit springt.

4. Big Wednesday (1978)

George Lucas drehte American Graffiti, sein Filmakademie-Kumpel John Milius antwortete mit diesem auto-
biografisch inspirierten, episodischen Monument des Surf-Kinos übers Aufwachsen dreier kalifornischer Freunde in den 1960ern. Tag der Entscheidung buchstabierte der deutsche Titel den Selbstfindungs-Aspekt des krönenden gemeinsamen Ritts auf der ganz großen Welle – wen wundert‘s, dass die bewegende, aber konservative Rückschau damals floppte. Mittlerweile längst als bester Surf-Spielfilm rehabilitiert: Auch echte Wellenreiter schwören auf die authentische Majestät der Meeresszenen.

5. Pretty in Pink (1986)

Tipp

Mit Filmen wie Breakfast Club prägte Autor-Regisseur John Hughes das Teenager-Lebensgefühl der 1980er und das wurde bald zu einer eigenen Industrie: Diese Highschool-Romanze vom armen Mauerblümchen und dem reichen Märchenprinzen ließ er von Handlanger Howard Deutch inszenieren, trotzdem ist sie nicht nur der liebste Hughes-Film seiner Stamm-Hauptdarstellerin Molly Ring-wald. Bewegt sogar die harten Death Proof-Mädels: Man kann schließlich nicht nur coole Macho-Actionfilme sehen.
Ein absoluter Kultdarsteller des Seventies-Kinos ist auch dabei: Harry Dean Stanton als arbeitsloser Papa.Death Proof – Todsicher mit Kurt Russell, Rosario Dawson, Rose McGowan, Vanessa Ferlito, ... ab sofort im Kino

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