"28 Weeks Late": Furios apokalyptisch

(c) Twentieth Century Fox
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Horrorschocker mit Irak-Parallelen: „28 Weeks Later“. Ab Freitag im Kino.

Zuerst schießen die Soldaten auf die Infizierten. Nach dem Kontrollverlust schießen sie vorschriftsgemäß auf alles, was sich bewegt. Die verstörende zentrale Szene von Juan Carlos Fresnadillos unnachgiebigem Horrorschocker 28 Weeks Later nimmt die Schlusspointe des ersten modernen Zombiemeisterwerks, George A. Romeros Die Nacht der lebenden Toten (1968), und dehnt sie zum apokalyptischen Massaker: Die (US-)Militärpräsenz zum Schutz der Überlebenden erweist sich als ebenso tödlich wie die Angriffe der Virusopfer, die binnen Sekunden zu rasenden Kannibalen werden.

Beiläufige politische Allegorie

Irak-Parallelen sind überdeutlich, doch politische Allegorie wirkt in 28 Weeks Later wie ein beiläufiger Nebeneffekt, ein automatisches Abfallprodukt des Rückgriffs auf Romeros Vietnam-Zeitbild. Perfekt passt jedoch eine bewaffnete Intervention, die das Chaos nur verschlimmert, in das Grundkonzept von Fresnadillos Arbeit: ein effektiv erschreckendes Porträt vom Versinken der Menschheit in Dunkelheit und Aufruhr.

Gerade diese unprätentiöse Zielstrebigkeit gefällt in einer postmodernen Ära, in der sich fast alle Genrefilme „wissend“ mit einer sozialen Bedeutsamkeit schmücken, die sie kaum wirklich einlösen können (und wollen): Fresnadillos formal furioser Film verschreibt sich ganz einer B-Picture-Ästhetik, in der die Ideen knapp und konsequent und vor allem visuell durchgearbeitet werden.

Laufen ums Überleben

Sonst versuchte das zuletzt nur Danny Boyles Science-Fiction-Film Sunshine – bis seine Ideen in Einfalt verglühten. Dagegen sind die paar genregemäßen Logikfehler in 28 Weeks Later belanglos, besonders angesichts der gestalterischen Kohärenz: nominell zwar eine Fortsetzung des 2002 (ausgerechnet von Boyle) inszenierten britischen Zombie-Beschleunigers 28 Days Later, tatsächlich eher eine spielfilmlange Variation der Schlüsselszene von Fresnadillos Debüt Intacto.

Da rannte eine Gruppe Glücksspieler mit verbundenen Augen durch dichten Wald: Wer sich den Kopf nicht am Baum einschlug, war auserwählt. Im neuen Film laufen auch Auserwählte nur mehr ums Überleben, die Handlung steht ständig unter Hochdruck, die zeitgemäße Handkamerahektik treibt Fresnadillo zu expressionistischen Extremen, schnelle Schnitte intensivieren die Erfahrung.

Beide Stilmittel sind meist Warnsignale für modische Faulheit, hier werden sie erstaunlich artistisch genutzt: Die hochenergetischen, musikalisch etwas übersteuerten Chaoskaskaden haben die Unmittelbarkeit zusammengeraffter Reißschwenkreportagen, ihre Schockschlieren und traumatischen Tempowechsel haben aber auch abstrakte Qualitäten nahe dem Avantgardefilm – das Gefühl des Kontrollverlusts bricht sich buchstäblich Bahn im Bild.

Als Gegenpol dazwischen: Distanz der Kamera, Nervenversagen und Angst der Attackierten, kontrastiert mit dem kalten Horror des Kalküls. Zielfernrohrperspektiven und Städteplanerüberblicke zeigen den Tod nach militärischem Protokoll, illustrieren die unmenschliche Überheblichkeit bei der Notfallplanung.

Sozialer Zusammenbruch

Aber alle Pläne sind zum Scheitern verurteilt angesichts einer Katastrophe, nach der niemandem mehr zu trauen ist: Der soziale Zusammenbruch wird durch etwas familiäre Rahmenhandlung betont. Zu Anfang verlässt ein Mann (Robert Carlyle) seine Gattin vor dem Ansturm der (infizierten) anderen, letztlich dienen alle Blutsbande nur der Infektion: So geraten die Kinder des Paars ins Zentrum von Apokalypse und Hetzjagd. Die Finsternis seiner Vision lässt Fresnadillo mit zwingender Logik in einer eindrucksvollen, langen Nachtsichtschreckensszene kulminieren: so dunkel, dass die Schauspieler eindeutig nicht mehr sehen, wohin sie gehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2007)

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