Die Königin als Naturgottheit

UIP
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Neu im Kino. Leerer Bombast: „Elizabeth: Das Goldene Königreich“. Ab Freitag.

Die Monarchie umweht auch heute noch ein Märchenhauch: Selbst als das schwedische Königspaar beim letzten Wien-Besuch zwischen Wink-Pose und Gemeinplätzen zum Requisit in einer österreichischen Staatsoperette wurde, überschlug sich die mediale Öffentlichkeit mit Interpretationen zum royalen S(ch)ein. Das Kino ist den Majestäten längst erlegen: Regisseur Stephen Frears führte im Vorjahr mit dem Zeitgeistfilm The Queen kommerziell erfolgreich vor, wie viel „Reality“ so eine symbolische Figur verträgt.

Nun donnert mit Elizabeth: Das goldene Königreich eine pompöse Historienfantasie in die heimischen Kinos, die die englische Monarchin wieder traditionell begreift. Der indische Regisseur Shekhar Kapur zeigte bereits 1999 mit seinem ersten englischsprachigen Film Elizabeth, wie geschmeidig sich ein historisches Sujet mit opulentem Melodram versetzten lässt, die Fortsetzung spinnt die Formel lediglich weiter: Cate Blanchett kehrt als Königin elisabethanisch kostümiert zurück und ist im Hexenkessel-Europa des ausgehenden 16.Jahrhunderts mit kontinentaler Bedrohung konfrontiert.

Philipp II. von Spanien (Katalane Jordi Mollà als gut frisierter, dämonisch blickender Agitator) sieht seine Vormachtstellung durch Elizabeth gefährdet und plant die feindliche Übernahme des Inselkönigreichs. Kapur schreibt in diesen Konflikt, der bald zum Krieg wird, die Religion tief ein. Auf der einen Seite die protestantische Monarchin mit ihrem toleranten Vorgehen gegenüber Andersgläubigen: „Ich werde mein Volk nicht für seinen Glauben, sondern nur für seine Taten bestrafen!“ Auf der anderen Seite der von Katholiken flankierte Bösewicht, der eine Allianz mit Londoner Jesuiten eingeht, die Elizabeth ermorden sollen.

Das Land und das Herz werden umkämpft

Nicht nur das Land, auch das Herz der Königin ist umkämpft: Ihr Berater und väterlicher Freund Francis Walsingham (funktional: Geoffrey Rush) rät zu baldiger Heirat und begrüßt das stattfindende Schaulaufen europäischer Monarchen (darunter ein jugendlicher österreichischer Erzherzog), Elizabeth zeigt sich allerdings von einem weniger geschniegelten Mannsbild angetan. Der Seefahrer Sir Walter Raleigh (altväterisch abenteuerlich: Clive Owen) zieht mit allerlei Gaben aus der Neuen Welt (Kartoffeln, Tabak, Ureinwohner) am Hof ein und erobert mit seinen schwülstigen Erlebnisberichten die Gunst der eigensinnigen Monarchin.

Spätestens hier wünschte man sich ein wenig moralisches Einfühlungsvermögen seitens der Drehbuchautoren William Nicholson und Michael Hirst: Die heldenhafte Darstellung Raleighs korrespondiert zwar mit der verseiften Melodramatik des Films, wirft jedoch nicht einmal ein Schlaglicht auf die von kolonialen Vorreitern verübten Gräueltaten jenseits des Atlantik. Lieber schwelgt Kapur in bombastischen Kulissen und erstickt selbst die ordentlichen Schauspieler im Gemenge von Kostümexzess und Theatralik: Viel zu selten gibt die Ausstattung den Blick frei auf den königlichen Charakter, der sich gelegentlich in amüsanten (Elizabeth schlägt einem Geistlichen auf den Hinterkopf) bis eindringlichen (Elizabeth steht nackert und perückenlos vorm Schlafgemachspiegel) Momenten ausdrückt.

Die Darstellung Blanchetts macht Kapurs Cirque du Soleil einigermaßen sehenswert: Wie schon im ersten Film wird sie zwischen Verhaltensregel und Bauchgefühl herumgeschleudert, am schärfsten formuliert bei ihrem Todesurteil über die hinterlistige schottische Königin Mary (eine famose Samantha Morton). Blanchett schreitet den Ausstattungs-Pomp mit zärtlicher Bestimmtheit ab und füllt als einzige, die leeren Hintergründe mit Bedeutung. Im Lauf der Handlung mutiert sie vom Abziehbild zur Puppe zur Naturgottheit: Das Filmende bebt unter ihrer tiefen Stimme, mit ihren Schlussworten schließt sie den einzigen geglückten Handlungsbogen: „Ich bin eure Königin. Ich bin ich selbst.“ Diese Behauptung einer Gleichzeitigkeit von Schein und Sein darf als Revolution im Monarchenfilm begriffen werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2007)

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