Die Dauerhalluzination des Düstermanns

Concorde
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Berauschend blöd: Kevin Costner als soignierter Serienkiller in „Mr. Brooks – Der Mörder in Dir“. Ab Freitag.

Schwer zu sagen, was an diesem Film das beunruhigendste ist: Die berauschende Blödheit, mit der er bestenfalls satirisch brauchbares Material meist todernst zusammenzwingt oder das Mysterium seiner Rezeption. In den USA hat die ernstzunehmende Kritik Mr. Brooks im wesentlichen prustend verhöhnt – nicht ganz zu unrecht, aber wenn dieses einigermaßen gekonnt inszenierte und vollkommen lächerlich konzipierte Hollywood-Entertainment irgendeine Bedeutung hat, dann als derangiertes Symptom der dortigen mordbesessenen (Kino-)Kultur.

In Deutschland wiederum wurde verblüffend kiloweise Druckerschwärze auf ganz ernsthafte Analysen der soziokulturellen Bedeutung dieses Films ver(sch)wendet – als hätte er irgendetwas mit der wirklichen Welt zu tun und wäre nicht einfach eine mechanische Spritztour durch Kinokonventionen.

Der Grund ist vermutlich simpel: Der USA ist das Serienmörderwesen mittlerweile so in Fleisch und Blut übergegangen, dass die angeblich originelle, dabei steinalte Wendung von Mr. Brooks kaum noch ins Gewicht fällt – Kevin Costners Filmkiller ist privat ein biederer Familienvater und erfolgreicher Geschäftsmann, vollzieht auch seine Morde mit der gründlichen Methodik des Verpackungsherstellers. (Das ist mehr oder minder der gesellschaftskritische Ursud des Noir-Krimis an sich.)

In Deutschland fühlt man hingegen – wie wohl in den meisten anderen europäischen Kulturnationen und wiewohl diese von US-Unterhaltungsware überschwemmt sind – noch eine gewisse Distanz und bemüht sich ein dortiges Gesellschaftsphänomen herbeizuschreiben: Costners Mr. Brooks oder (der 2008 auch im deutschen TV kommende) Fernsehserienkiller „Dexter“ als Embleme eines „neuen“, höflichen, ja bürgerlichen Bösen. Vielleicht braucht es ja die Bürgerseele der alten Welt, um aufs Identifikationsangebot von Mr. Brooks hereinzufallen.

Mordlust, Machtrausch, Multimillionärin

Das beginnt mit der erschütternden Einblendung, dass der Hunger in der Hauptfigur zurückgekehrt sei – und mit seiner Auszeichnung zum Mann des Jahres. Neben seiner Frau sitzt am Heimweg noch eine andere Figur im Auto, die dunkle Seite des schizophrenen Brooks: William Hurt, als Dauerhalluzination präsent, beginnt das erste der für alle anderen Filmfiguren nicht wahrnehmbaren Zwiegespräche mit seinem Alter Ego Costner und überredet ihn zum ersten Mord seit längerem. Nebenbei, offenbar noch high von seinem ähnlich entfesselten Comedy-Auftritt in Cronenbergs A History of Violence, demonstriert Hurt die einzige Methode, wie man diese Geschichte tatsächlich spielen könnte: Mit dem geistesgestörten Enthusiasmus des Connaisseurs von übertriebenem Schund. Leider unterstreicht er damit nur, wie unangemessen bedeutungsvoll das restliche Ensemble tut.

Binnen weniger Szenen hat Brooks nicht nur die Mordlust ausgekostet – Regisseur und Co-Autor Bruce A. Evans gönnt ihm als besonders abgegriffene Machtrauschmetapher eine Zeitlupenpirouette vor dem Spiegel –, sondern auch gleich wegen ungewohnter Unachtsamkeit einen voyeuristischen Fotografen am Hals. Dane Cook spielt den Erpresser als unguten, sonst eigenschaftslosen Nerd-Typ: Der will – o tempora, o mores – nicht Geld, sondern beim nächsten Mord mitkosten.

Was einen noch immer nicht auf die Nebenhandlung mit Demi Moore vorbereitet: Die spielt eine harte Polizistin, die übrigens Multimillionärin ist und neben dem soignierten Brooks auch noch einen handelsüblicheren Haudrauf-Massenmörder jagt, der aus einem anderen Film entlaufen scheint – so sehen seine unpassenden, mit Hochdruck auffrisierten Szenen auch aus. Doch das wird (so wie der millionenschwere Scheidungsprozess der Ermittlerin) benötigt, um die überkomplizierte Reißbrettgeometrie des Films abzuschließen, die aber nur simpelste Reiz-Reaktions-Schemata zu konservativer Angstmache kaschiert. (Killer-Kapitalismus, die ausschließliche Furcht des Helden vor der „Peinlichkeit“, falls er erwischt würde, sogar Vererbungslehre-Terror und nebenbei ins Bild gerückte Schlagzeilen zur Bush-Wirtschaftspolitik.)

Bei der Düstermann-Inszenierung geht Evans ansonsten so methodisch wie sein Protagonist vor, aber je sorgfältiger die Umsetzung, desto deutlicher nur die provokante Dummheit des Konzepts, das zur Hälfte auf kommerzialisierten Bürgerschreck im Gefolge von Thomas Harris aus ist, zur Hälfte auf Satire à la Fight Club (Brooks geht wegen seiner Sucht zu den Anonymen Alkoholikern und spricht deren Gebete) – und in der logisch haarsträubendsten letzten Hälfte nur noch auf aberwitzig perverse Bauernfängerei. Drei Hälften – unmöglich? Nicht in der kaputten Welt von Mr. Brooks.

ZUR PERSON

Kevin Costner (*1955, Lynwood) ist einer der Hollywoodstars, die ihre Projekte genau kontrollieren; er inszeniert oder produziert daher auch selbst; letzteres etwa bei „Mr. Brooks“, der eigentlich als Auftakt zu einer Trilogie konzipiert war, aber ein Flop wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2008)

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