"Doping ist in der Oper längst Alltag"

Endrik Wottrich und Adrianne Pieczonka in der
Endrik Wottrich und Adrianne Pieczonka in der "Walküre"EPA (Joerg Schulze)
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Der Tenor und Bodybuilder Endrik Wottrich lässt mit seinen Enthüllungen über die Opernszene aufhorchen. Alkohol, Betablocker und Cortison seien hinter der Bühne gang und gäbe, sagt er.

Die Salzburger Festspiele gehen diese Woche zu Ende: Anna Netrebko, Rolando Villazon, Neil Shicoff und Elina Garanca haben heuer nicht gesungen. Sie alle haben abgesagt - aus unterschiedlichen Gründen. Auch Bayreuth erlebte einen spektakulären Sängerwechsel: Die Siegfried-Partie aus "Die Walküre" sang ab der zweiten Aufführung statt Endrik Wottrich der Amerikaner Robert Dean Smith. Die Szene spekulierte über die angebliche "Erkrankung" Wottrichs, hatte er doch in schlechte Kritiken eingefangen.

Erkältung wird zum Todesurteil

Der passionierte Bodybuilder Wottrich holte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zum Gegenschlag aus: Die "einstige Hochkultur der Oper ist in eine Glamour-Welt abgerutscht", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Mittlerweile würden auch Leistungen von Sängern erwartet, die gar nicht mehr einzulösen seien. "Da wird eine Erkältung schnell zum Todesurteil", sagte er. Doping stünde an der Tagesordnung: "Darüber redet ja keiner. Dabei ist Doping in der Musik längst Alltag. Solisten nehmen Betablocker, um ihre Angst in den Griff zu bekommen, einige Tenöre nehmen Cortison, um die Stimme in die Höhe zu schrauben, und Alkohol ist gang und gäbe. Die Angst ist zu einem großen Faktor geworden, so dass fast jedes Mittel recht scheint, um den Erwartungen gerecht zu werden."

Dass immer mehr Sänger krank würden, dass Anna Netrebko, Rolando Villazón und andere ihre Auftritte absagen, sei für ihn ein Zeichen, dass der gesamte Klassik-Markt krank sei: "Wir stehen vor der Wahl, aufzutreten, um angegriffen zu werden, weil wir einen falschen Ton singen, oder uns krank zu melden, um angegriffen zu werden, weil wir uns schonen. Dass Anna Netrebko in Salzburg vorgeworfen wird, dass sie unzuverlässig sei, ist eine Frechheit."

"Das ist Prostitution"

Schuld an der Zuständen hinter der Bühne sei der zunehmende Einfluss der Werbung und der der Medien: "Ich würde mich erschießen, wenn ich eine Stimme wie Villazon hätte und in den Zeitungen auf den 'Mr. Bean der Oper' reduziert würde." Außerdem kritisiert der Tenor, dass Sänger zunehmend mediale Ideale einlösen müssten: "Von Anna Netrebko wird nicht erwartet, dass sie Verdis Violetta spielt. Sie soll die Anna Netrebko aus der Werbung sein: hübsch, lustig und lebensfroh, egal ob sie wirklich singt, oder mit Playback." Oper werde nicht mehr mit den Kriterien der Kunst, sondern mit denen des Glamours betrachtet.

"Heute ist Oper ein Stundenhotel, in dem alle in möglichst wenig Jahren möglichst viel Kohle verdienen müssen", so Wottrich. "Das ist Prostitution." (Ag./Red.)

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