Neue deutsche Romantik

Katharina Wagner
Katharina Wagner (c) AP (Eckehard Schulz)
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Bayreuth. Genialer Schachzug: Katharina Wagner bewirbt sich mit Dirigenten- Superstar Christian Thielemann um die Festspielführung. Wer kann das ablehnen?

Der Schachzug ist raffiniert. Machtpolitik war ja in Bayreuth immer schon groß geschrieben worden, ehe nun die Urenkelin Richard Wagners sich anschickte, von ihrem Vater die Leitung der Festspiele zu übernehmen: Katharina, 29-jähriger jüngster Spross des mittlerweile 88 Jahre zählenden Komponisten-Enkels Wolfgang Wagner, versuchte bereits während der vergangenen Monate konsequent, als logische Nachfolgerin im Gespräch zu bleiben. Nach einigen Regie-Arbeiten in kleineren Häusern durfte sie heuer mit ihrer Neuinszenierung der „Meistersinger von Nürnberg“ in Bayreuth debütieren. Und der Coup gelang vortrefflich: Das Regiehandwerk beherrscht die junge Dame gut genug, um nicht nur Teile des Publikums zur Weißglut zu bringen, sondern tatsächlich eine in sich geschlossene, stimmige Produktion abzuliefern. Mag man nun inhaltlich davon halten, was man will: Qualität, das „Gewusst-Wie“ ist ihr nicht abzusprechen.

Und nun der vermutlich entscheidende Schachzug: Katharina Wagner wird sich um den väterlichen Thron nicht allein bewerben. Sie präsentierte am Wochenende Christian Thielemann als Compagnon, jenen Dirigenten, der während der vergangenen Jahre zur unumstrittenen Instanz vor allem deutscher Romantik geworden ist – und der jüngst im Interview mit der „Presse“ angedeutet hat, wie gut er sich vorstellen könnte, Oper so gut wie ausschließlich bei den Wagner-Festspielen zu dirigieren.

Karrierebewusst wie der Urgroßpapa

Angesichts der hymnischen Kritiken und des Publikumszuspruchs ist die Inthronisierung Christian Thielemanns als eine Art Wagnerschen „Prinzgemahls“ eine geniale Volte im Bayreuther Machtspiel. Der nicht eben galante, aber im Grunde schwer auszuhebelnde Verweis auf das Alter der Konkurrentinnen Katharina Wagners inbegriffen: Die Cousinen Eva und Nike gehören der nächst älteren Generation an – und sehen sich mit Künstlerverträgen konfrontiert, die bis ins Jahr 2015 reichen. Wolfgang Wagner, der Taktiker, hat die programmatische Linie der künftigen Festspielsommer schon festgelegt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Katharina den Vertrag für die Neuinszenierung des nächsten „Rings des Nibelungen“, die zur Feier von Wagners 200. Geburtstag 2013 geplant ist, längst in der Tasche hat.

Wer heute zum Festspielleiter designiert wird, hat also frühestens für die Jahre danach die Chance, innovativ zu planen. Da wird Katharina gerade einmal Mitte dreißig sein und Thielemann im allerbesten Dirigenten-Alter. Schwer auszuhebelnde Argumente für den bundes- und landespolitisch besetzten Bayreuther Stiftungsrat, der zunächst ohnehin einmal Wolfgang Wagners Rücktritt abzuwarten hat, ehe er aktiv wird. Wesentliche Absprachen angesichts der eben präsentierten Lösung sind davor freilich zu erwarten. „Der ewigen Macht, wer erbte sie?“, lässt Wagner in der „Götterdämmerung“ fragen. Es wird, wie die Dinge liegen, noch einmal ein Mitglied der Familie werden, karrierebewusst wie der Urgroßpapa.

Dass die Stiftung gut daran tun wird, eine Lösung zu favorisieren, die den von Richard Wagner selbstbestimmten Festspielzweck nicht antastet, scheint klar, allen Unkenrufen einer nötigen „Neuorientierung“ zum Trotz. Dass im Haus am grünen Hügel ausschließlich Wagner gespielt wird, ist schließlich kein Klotz am Dramaturgenbein, sondern das, was neumodisch die Unique Selling Proposition genannt wird. Nicht umsonst laufen im Bayreuther Kartenbüro jährlich acht bis zehn Mal so viele Bestellungen ein wie befriedigt werden können.

Die Nachfrage ist ungebrochen. Der Zwang, bei Sänger- und Dirigentenbesetzungen mehr Augenmerk auf Qualität zu richten allerdings wohl auch, will man das Renommee nicht über kurz oder lang verspielen. Das ist die einzige Korrektur, die tatsächlich vonnöten sein wird. Was die „Modernität“ der gezeigten Inszenierungen betrifft, darf sich das ach so fortschrittliche deutsche Feuilleton im Übrigen nicht allzu begehrlich gerieren. Immerhin hat der schlaue Wolfgang Wagner zuletzt mehrere Favoriten der Regietheater-Fraktion – von Marthaler bis Schlingensief beschäftigt – und nebenher sehr gute (Claus Guth) und altbackene Arbeiten; und eine, die durch konsequentes Hinterfragen (auch der Bayreuther) Aufführungstradition wieder Diskussionen über den Gehalt eines Werkes provozieren konnte. Das waren Katharina Wagners „Meistersinger“ . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2007)

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