Kritik: Salzburger Festspiele: Drei Antidiven und ihre Temperamente

Angelika Kirchschlager.
Angelika Kirchschlager.(c) ORF/'Happy Birthday Amadeus'
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Christine Schäfer, Hélène Grimaud, Angelika Kirchschlager: unprätentiöser Liedgesang in Salzburg.

Christine Schäfer präsentierte sich erstmals als Liedsängerin bei den Salzburger Festspielen, ein doppeltes Debüt, denn auch mit Hélène Grimaud als Begleiterin stand Schäfer bei den „Schumann-Szenen“ zum ersten Mal auf dem Podium. Rein äußerlich passen die beiden unprätentiösen Antidiven gut zusammen. Doch schon nach den ersten Liedern aus Schumanns Zyklus „Dichterliebe“ wird klar: Musikalisch harmonieren die beiden wenig. Schäfers kühl timbrierter Sopran, ihre glasklare Deklamation und ihre unpathetische Interpretation stehen im Widerspruch zur pedalselig verschwommenen Lesart der Pianistin.

Doch dieser Wermutstropfen schmälerte Schäfers phänomenale Leistung nur wenig. Recht flott wandelt sie durch Schumann/Heines meist vergnügte Liebesminiaturen. Und ist dabei in zarter Klangpoesie („Im wunderschönen Monat Mai“) ebenso zu Hause wie in munterer Plauderei („Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne“) oder in ergreifenden Ausdrucksstudien („Ich hab im Traum geweinet“). Aber auch das erdig Volkstümliche („Aus alten Märchen“) vermittelt Schäfer mit einer Glaubwürdigkeit, die ihresgleichen sucht. Immer wieder möchte man meinen, diese Sängerin verschmilzt mit der Rolle.

Quasi ein Heimspiel für die Sängerin war der Zyklus „oder soll es Tod bedeuten“ von Mendelssohn/Reimann nach Gedichten Heinrich Heines. Reimann, einer der Lehrer Schäfers, nimmt Mendelssohns Vorlage auseinander und verteilt sie auf ein filigranes Geflecht von vier Streicherstimmen. Er selbst sagt dazu: „Die Bearbeitung für Streichquartett geht über eine Transkribierung weit hinaus. In einigen Liedern bin ich vom Klaviersatz abgewichen und habe viel dazukomponiert, ohne in die Mendelssohnsche Harmonik einzugreifen, um sie dadurch auch gegen meine eigene Gedankenwelt abzugrenzen, die dann immer wieder von Fragmenten des Mendelssohn-Fragments aufgebrochen wird.“

Moderne unterminiert die Romantik

Zunächst beschränken sich die Veränderungen auf die Zwischenspiele, im Laufe des Zyklus dringt Reimanns Musik immer mehr in Mendelssohns Musik ein. Geräuschhafte Passagen und eruptive Intermezzi setzen einen Kontrapunkt zur Sphäre von Frühlingsduft, Herzeleid und romantischer Verklärung. Das Petersen-Quartett, Spezialist für zeitgenössische Musik, erweist sich als ideale Begleitung, spielt Mendelssohn/Reimann ebenso transparent und glasklar, wie Schäfer singt. Die Fantasiestücke für Klavier und Klarinette (op.73) hinterließen danach zwiespältigen Eindruck: Da kann Jörg Widmann (Klarinette) mit noch so viel Verve spielen – solange Hélène Grimaud dem nur Geschwindigkeit entgegenzusetzen hat, bleibt das Ganze blutleer.

Tags darauf stand ebenfalls eine Mozart-Spezialistin im Mittelpunkt der Schumann-Szenen: Angelika Kirchschlager. Und die hatte mit Wagner ihre Probleme. Den Wesendonck-Liedern haftet etwas Vergeistigtes, Weltabgewandtes an, das so gar nicht zu der bodenständigen Mezzosopranistin zu passen scheint. Da wirkt einiges aufgesetzt oder uninspiriert. Auch stimmlich ist Wagner nicht Kirchschlagers Genre: Sie muss in ihrer Zartheit immer wieder gegen das Orchester ankämpfen oder geht darin unter.

Dabei präsentieren die Camerata Salzburg unter Ingo Metzmacher ohnehin Hans Werner Henzes ungemein transparente Wagner-Orchestrierung. Leichtigkeit und dynamische Kontraste stehen da im Vordergrund, jedes Lied ist eine eigene leuchtende Klangminiatur.

Auch Alban Bergs „Stücke aus der lyrischen Suite“ sind von einer Liebesbeziehung inspiriert: Lyrische Kantabilität und energische Fortissimo-Ausbrüche werden von Metzmacher mit größter Sensibilität hörbar gemacht. Kraftvoll und spannungsgeladen dann die Originalfassung von Schumanns Vierter Symphonie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2007)

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