Singen in Salzburg: Stars von der Ersatzbank

Leidenschaft auf Spanisch: Placido Domingo mit Anna Maria Martinez bei den Salzburger Festspielen.
Leidenschaft auf Spanisch: Placido Domingo mit Anna Maria Martinez bei den Salzburger Festspielen.(c) ORF/'Liebe, Leben meines Lebens'
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Wenn Villazón und Netrebko ausbleiben, brillieren doch Domingo, Martinez, Schäfer, Scholl und Botha.

Die Stars sind an allem schuld. Netrebko hat Laryngitis, Villazón den Blues, und wegen einer zu langen Probe von Gérard Depardieu und Riccardo Muti war das Publikum der Zarzuela-Gala zu einer zusätzlichen halben Stunde Seitenblicken im Foyer gezwungen. Salzburg verdankt den Stars aber auch eine Menge. Plácido Domingo zum Beispiel: Seit 1975 hier im Einsatz, feiert er am Sonntag seinen 50. Festspielauftritt. Und ist auch nach bald 50 Bühnenjahren ganz der alte geblieben, singt immer noch besser, als er dirigiert. In letzter Zeit mit Vorliebe Zarzuelas, jene spanische Spielart des Musiktheaters. Da kann er zwischen Opernpathos und Schlagerschaum sängerisch in bequemer Lage sein dunkles Baritontimbre ausbreiten, in Ausdruck baden – und mit ein paar höheren Tönen Effekte erzielen, wie andere nur mit dem hohen C.

Wie grandios Domingo sich über heikle Stellen retten kann, aus Falsettnot mit Grandezza eine noble Tugend macht – das verdient höchste Bewunderung.

Liebe, Leidenschaft, Paella

Statt Rolando Villazón stand Ana María Martínez an seiner Seite – und wurde dank apart rauchigem Timbre als rettende Einspringerin kaum minder bejubelt. Man ging wohl nicht ganz fehl in der Annahme, dass da allenthalben von Leid und Leidenschaft, Liebe, Enttäuschung und Paella gekündet wurde – abgedruckte Gesangstexte oder gar Übertitel waren bei dem kurzfristig zusammengestellten Programm nicht mehr möglich.

Das Mozarteum Orchester unter Jesús López Cobos ließ die Kastagnetten klappern und bemühte sich, soviel Elan wie möglich aus dem Unterschied zwischen 3/4- und 6/8-Takt zu schlagen. Hochstimmung kam nach zähem Beginn allerdings erst bei den Zugaben auf.

Festspielpräsidentin Rabl-Stadler rühmte „Platzido“, bedauerte, dass die Festspiele keinen Orden zu vergeben hätten und musste demnach das Feld Landeshauptfrau Gabi Burgstaller überlassen, die Domingo das Goldene Ehrenzeichen des Landes verlieh.

Keine Anna, mehr Händel

Im akustisch wie atmosphärisch völlig ungeeigneten „Haus für Mozart“ sprangen in Pergolesis „Stabat mater“ der stilistisch souveräne Countertenor Andreas Scholl für Elina Garanca und die leuchtend, differenziert und ausdrucksvoll singende Christine Schäfer – kurzfristig – für Anna Netrebko ein. Trotz der Spontaneität gab Schäfer zusätzlich zwei Händel-Arien zum allerbesten. Dafür hätte man sich das eine oder andere aus dem Ur-Programm gerettete Vivaldi-Konzert sparen können, mit dem das Orchestra Barocca di Venezia unter Andrea Marcon weniger souverän den Abend in unnötige Längen zog. Auch im „Stabat mater“ musste man an Scholl und Schäfer halten, denn Marcon und die Seinen begleiteten anämisch.

Goethe von Moretti & Botha

Wie geplant fand nur das Konzert des RSO Wien unter Bertrand de Billy in der Felsenreitschule statt: auch dieser Abend ein Stimm-Fest, denn Johan Botha sang mit Kraft und strahlendem Ton die als schier unsingbar geltende „Rinaldo“-Kantate von Johannes Brahms; ein Ereignis, denn auch die Herren des Staatsopernchors waren mit ungewohnten Animo und Verve bei der Sache. Das klangschön musizierende RSO zauberte alle Stimmungs-Valeurs, die Brahms Goethes Text abgewinnt, subtil hervor.

Es hatte zu Beginn Beethovens Schauspielmusik zu „Egmont“ packend realisiert, für die Annette Dasch ihren samtweichen Sopran und Tobias Moretti seine auch auf engstem Raum atemberaubende Darstellungskunst, aber auch ein exzellentes Arrangement von Fragmenten aus Goethes Drama beisteuerten: Die ganze Welt ist Bühne – vor allem, möchte man ergänzen, wenn das Publikum gezwungen ist, sich mangels Szenerie auch die Optik aus der Musik zu imaginieren. wawe/mus/sin

VOKALGLANZ: Ö1, ORF2

Stabat mater in Ö1 mit Christine Schäfer und Andreas Scholl am 12. August (11.03 Uhr).

Amor, vida de mi vida:Plácido Domingo und Ana Maria Martinez am 15. August in Ö1 (15.05), am 18. August um 21.55 in ORF2.

Rinaldo mit Johan Botha erscheint als CD-Mitschnitt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.08.2007)

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