Brigitte Schwaiger ist tot: „Du schlafe gut"

Brigitte Schwaiger schlafe
Brigitte Schwaiger schlafe(c) APA (PR)
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Nachruf. Die Schriftstellerin Brigitte Schwaiger ist mit 61 Jahren aus dem Leben geschieden. Mit ihrem Debütroman "Wie kommt das Salz ins Meer" hatte sie bei Publikum wie Kritik großen Erfolg.

In den letzten Jahren sagte der indische Zeitungsverkäufer an der Ecke Neubaugasse/Mariahilfer Straße immer zu ihr: „Du nix denken!" Er meinte damit: Vom Denken kommen alle Probleme. „Du schlafe gut und nix denken!" So berichtet es Brigitte Schwaiger in ihrem Text „Ausrinnen", der vorigen Herbst in dieser Zeitung erschienen ist.

Geboren 1949 in Freistadt, katholisch erzogen, kam sie 1967 nach Wien. Ihr erstes Buch machte sie mit einem Schlag berühmt, das war 1977: „Wie kommt das Salz ins Meer" hatte bei Publikum wie Kritik großen Erfolg (Auflage 500.000, das ist viel, doch nicht genug, um sich ein Leben lang davon zu ernähren). Der Roman, stark autobiografisch geprägt, erzählt in Ich-Form von der Monotonie im Ehealltag und den vergeblichen Versuchen eines Ausbruchs aus dieser Welt.

„Kaputt vom Nachgrübeln"

Es folgten Bücher und Bücher, „Mein spanisches Dorf", „Liebesversuche", „Der Mann fürs Leben", „Der Himmel ist süß", und wie sie alle hießen. Aber Schwaiger konnte nicht mehr anschließen an ihren frühen Erstlingserfolg. Ende 2001 war sie „so kaputt vom vielen Nachgrübeln" über ihr unglückliches Leben, dass sie sich erstmals „in die Psych" einliefern ließ. Immer wieder verbrachte sie dort einige Tage und Nächte, vor allem Nächte. Das war Brigitte Schwaiger: einsam, enttäuscht, angeekelt auch, ein Frauenleben, erst als Alleinerzieherin, dann als Sozialhilfeempfängerin, als Tagespatientin in der Baumgartner Höhe. „Ich wohne allein", schrieb sie im „Spectrum", „seit 30 Jahren gehe ich einkaufen. 10.000-mal den Schlüssel ins Haustor gesteckt, 10.000-mal die Wohnungstür aufgesperrt. Wiederholungen. Alles 10.000-mal gemacht." Ihr „Schwachsein" nannte sie das, „endogene Depression" sagten die Ärzte.

Zuletzt, 2006, kam im Czernin Verlag ihr Prosaband „Fallen lassen" heraus, eine beklemmende, bestürzende Beschreibung ihrer Erfahrungen in der Psychiatrie. „Es ist jetzt immer öfter so, dass ich den kürzeren Weg wählen möchte, und das wäre, mich aus einem hohen Fenster zu stürzen. Der längere Weg ist, zu schreiben über mein unglückliches Leben." Am Montag hat Brigitte Schwaiger, 61-jährig, einen kürzeren Weg gewählt. Sie wurde leblos in der Neuen Donau in Wien treibend entdeckt.

Brigitte Schwaiger

Schwaiger wurde am 6. April 1949 in Freistadt (Oberösterreich) als Tochter eines praktischen Arztes geboren. Sie ist die Urenkelin der in Theresienstadt umgekommenen Opernsängerin Carola Seligmann (Künstlername Angeli).

Nach der Matura 1967 ging die Mühlviertlerin nach Wien, wo sie einige Semester Germanistik, Psychologie und Romanistik studierte. In Mallorca, wo sie mit einem spanischen Tierarzt lebte, unterrichtete sie Deutsch und beschäftigte sich mit Malerei und Bildhauerei.

1972 kam sie zurück nach Österreich und ging an die Pädagogischen Akademie Linz, daneben nahm sie Schauspielunterricht. Fünf Jahre später erschien ihr erster Roman.

"Wie kommt das Salz ins Meer" handelt von einer lebenshungrigen, freiheitsliebenden jungen Frau, die aus Konvention heiratet. Ein "gutbürgerliches" Leben wie ihre Eltern wollte sie führen. Schließlich muss sie sich jedoch eingestehen, dass sie dazu nicht fähig ist.

Bis heute habe sie den Schock, über Nacht berühmt geworden zu sein, nicht verwunden, erklärte Schwaiger 2008 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung. Sie habe damals gedachte, sie könne nun mit anderen Autoren von Kollege zu Kollege reden. "Aber ich war mit dem 'Salz' einfach zu weit gesprungen. Wie Elfriede Jelinek mit dem Nobelpreis. Wir sind Ausgeschlossene. Sie und ich", meinte sie damals.

(wois)

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