Radiogeschichte: Und lief und lief und lief und...

Am 8. April1957 gab es erstmals „Autofahrer unterwegs“.

Gleich nach den „Mittagsglocken aus Österreich“ diese unvergessliche Kennmelodie – schmissig, voll Energie: „Autofahrerrrruuunterwegs!“ Und das 1957, als Autos mit einem Radio noch eine Rarität waren. Die große Mehrheit der Österreicher war ja mit Bahn, Bus, Tramway unterwegs. Daheim aber waltete die gute Hausfrau und Mutter. Ihr signalisierte die Kennmelodie: Halbzeit im Tagwerk! Mehr Tempo, Gnädigste, gleich kommen die hungrigen Kinder aus der Schule!

„Mit Musik auf Reisen“ hätte sie zunächst heißen sollen, die Sendung. 15.153 Mal wurde sie ausgestrahlt. Bis zum 5.April1999. Und wie Heinz Conrads wurden die 14 Sprecher zu guten Bekannten, zu Familienangehörigen. Louise Martini und Emil Kollpacher machten den Anfang, Walter Niesner und Rosemarie Isopp – wer könnte je ihre Namen vergessen! Brigitte Xander, der Wirbelwind, Günther Frank, der perfekte Peter-Alexander-Verschnitt, Günther Bahr – sie haben sich ihr Plätzchen im Radiohimmel gesichert. Nicht zu vergessen Kurt Votava, der eine Publikumssendung einmal so ankündigte: „...mit Professor Rosemarie Isopp, Professor Walter Niesner, es spielt Professor Norbert Pawlicki und Professor Karl de Grove. Karten kriegen Sie beim Portier des Funkhauses. Der ist wahrscheinlich a scho' Professor!“

Feldstudie über Malzkaffee

Auf dem Plattenstapel lagen James Last, Roger Whittaker, Lys Assia, Arik Brauer, Joesi Prokopetz, Roy Etzel, Sandy Shaw, Waterloo & Robinson, Nana Mouskouri, Lolita, Vicky Leandros, Gus Backus, Karel Gott... Und hinter dem Mikro Profis mit Herz, Routine, Schmäh – und Geschäftssinn. Von der Werbung für ein Mittel gegen Altersgicht glitten sie plaudernd und zwanglos über zur Verkehrssicherheit bei rutschigen, matschigen, nebligen Bedingungen (neue Pneus wären ratsam), um schließlich wieder bei Knorrs Suppenwürfeln zu landen oder bei der Aufsehen erregenden Feldstudie, dass Malzkaffee lebenswichtig sei. Zwei Millionen tägliche Hörer – eine Traumquote.

Wenn Blutspender knapp wurden – „Autofahrer unterwegs“ war schon da; wenn es galt, Gäste des „Kleinen Opernballs“ vom Wimberger mit dem Auto heimzutransportieren – „A.u.“ stand bereit; man suchte entschwundene Hunde und Kätzchen. Bei entlaufenen Ehemännern mischte sich die Sendung zwar nicht ein, aber bei Urlaubern in Makarska etwa, die dringend bei ihrer Familie daheim anrufen sollten, war sie so gut wie immer erfolgreich – Mobiltelefone waren ja noch unbekannt. Eine Brücke zwischen der Heimat und der Ferne wurde tagtäglich hergestellt, damals hauptsächlich ins sonnige Italien und ins ausgedörrte Istrien. Und selbst wenn einem das Ganze herzlich gleichgültig sein konnte – man lebte mit. Man dachte sich in diese kleinen Alltagsgeschichten hinein: „Herr XY, Richtung Spielfeld unterwegs mit einem VW Käfer, Wiener Kennzeichen...! Sie haben Ihren Pass daheim vergessen. Ihr Freund, Herr XX, ist bereits unterwegs, warten Sie auf ihn bei der Raststätte!“ Wird der Vergessliche das erfahren? Wird ihn sein treuer Freund einholen?

Tipps für Pumpe und Getriebe

Man war bescheiden. Hatte beileibe nicht so viel Geld, um mit dem kleinsten Wehwehchen des geliebten Fahrzeugs in die Werkstatt zu fahren. Also gab's via Radio praktische Tipps, die für handwerklich versierte Bastler Goldes wert waren. Dachträger für das Campieren, Benzinpumpe und Verteiler, Getriebe und deren Schmierung...

Auch der improvisierte Sendesaal im AEZ an der Wiener Landstraße ist längst Vergangenheit. Fast immer live mit Publikum – ein täglicher Seiltanz. Da konnten die Sprecher noch von Glück sagen, wenn das „Hoppala“ vom Studiogast und nicht aus eigenem Munde kam. So etwa die Begrüßung von Rosemarie Isopp durch den Arbö-Verkehrsjuristen: „Grüß Gott, Frau Niesner, und grüß Gott, meine Damen und Herren!“ Und die Rosemarie antwortete schlagfertig: „Isopp!! Wir haben nicht geheiratet. Nur keine falschen Gerüchte!“

Als Isopp die Platten vergaß

Die Isopp und der Niesner: populär wie Karl Valentin und Liesl Karlstadt. Nein, populärer. Isopp war die Quicklebendige. Leider recht vergesslich. Und da gab's noch keine Computer, Regieassistenten, Sendungsverantwortliche. Jeder Sprecher brachte seinen Plattenstapel für die Sendung selbst vom Funkhaus ins AEZ. Isopp hatte das eines Tages vergessen. Das rote Licht leuchtet auf, sie ist auf Sendung, begrüßt das liebe Publikum, der Toningenieur deutet ihr hilflos – keine Platten da! Isopp redet und redet, das Auditorium kriegt bald mit, was da fehlt: Ein kleiner Bub mit Stoppelfrisur springt auf das Podium und präsentiert der Frau Isopp sein Plattenalbum. Und während sie ihn interviewt, kann schon der erste Schlager aufgelegt werden – die Sendung ist gerettet.

Niesner wieder war der milde Opa. Welchem Moderator würde das heute gelingen: Mit väterlicher Sorge und der gehörigen Portion Strenge konnte er mehrmals von daheim „abgepaschte“ Schulbuben zur reuigen Umkehr bewegen. Er war es, der mit unbeirrbarer Sturheit an das Gute im Menschen glaubte. Daran, dass Autofahrer eigentlich schon Menschen seien und nicht eine Horde wild gewordener Affen. Wer kennt heute noch den Begriff „Straßenkamerad“? Das Rechtschreibprogramm des Redaktionscomputers jedenfalls nicht. Niesner prägte ihn und predigte ihn. Mit seiner Pensionierung verblasste der Begriff. 1989 ging Frau Professor Isopp in Pension, 2003 ist der Professor Niesner gestorben. Der „Straßenkamerad“ ist ebenso aus der Mode gekommen wie diese Rekordhalterin der ORF-Regionalsender.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2007)

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