Print versus Online: Im Schleppnetz des Widersachers

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Die FAZ klagte "Perlentaucher" wegen Urheberrechtsverletzung und geht nach verlorener Klage in Berufung; das Online-Kulturmagazin wirft FAZ-Herausgeber Schirrmacher "Machtmissbrauch" vor.

Schwere Geschütze fahren derzeit die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) und das Web-Magazin Perlentaucher (www.perlentaucher.de) gegeneinander auf. Bereits seit zwei Jahren schwelt der Konflikt, im Juli sieht man einander wieder vor Gericht.

Die Ausgangslage: Auf der einen Seite steht die FAZ, die dem Gründer von Perlentaucher, Thierry Chervel, vorwirft, ihm würden „immer wieder neue Kniffe einfallen, mit ein und demselben Gut Geld zu verdienen: mit den aufgeschriebenen Gedanken anderer Leute“. Etwa, indem Perlentaucher „ein Resümee über Bücherkritiken der großen deutschsprachigen Zeitungen an Internetbuchhändler verkauft“, grantelte die FAZ unlängst in einem Artikel.

Keine „schöpferische Leistung“?

Perlentaucher würde deutschsprachige Feuilletons „mit einem virtuellen Schleppnetz“ nach verwertbarem Material „scannen“ und Zusammenfassungen von Feuilletontexten im Internet vermarkten, „ohne selbst zum Thema zu recherchieren“, hieß es da weiter (FAZ, 28.Juni). Dass die englischsprachige Version der Onliner – www.signandsight.com – von der Bundeskulturstiftung 1,4 Millionen Euro Förderung erhalten hat (in der Hoffnung, deutsche Debatten und Standpunkte nach Europa zu tragen) und dass die Bundeszentrale für politische Bildung einen nicht gerade billigen Newsletter bei Perlentaucher erstellen lässt, auch das wurmt. Und so muss sich Chervel in dem Artikel (er ist der jüngste einer ganzen Reihe) nicht nur seine „etwas schütteren Locken“ vorhalten lassen, sondern auch, dass er „schon lange nicht mehr von der eigenen schöpferischen Leistung im kulturellen Sinne lebt“; auch Thorsten Schilling von der Bundeszentrale für politische Bildung kriegt einiges ab: Er habe einen „Traumjob“ und „muss nicht so auf das Geld achten“, stichelt die FAZ.

Nicht nur daraus wird deutlich: Es geht in der zähen Debatte ziemlich unverhohlen ums Geld, um Aufträge und um Erträge aus der Verwertung geistigen Eigentums.

Auf der eigenen Homepage schießt Chervel, ebenfalls nicht zimperlich, nun zurück und wirft der FAZ vor: „Mit Journalismus hat das nichts mehr zu tun, es ist nicht einmal tendenziöser Journalismus, sondern schierer Machtmissbrauch.“ Argument der Perlentaucher: Der FAZ-Artikel erscheine just vor der für 24.Juli anberaumten Berufungsverhandlung in einem Verfahren, das die FAZ (gemeinsam mit der „Süddeutschen Zeitung“) gegen das Online-Magazin angestrengt – und in erster Instanz verloren hat. Das Frankfurter Landesgericht kam im November 2006 nämlich zu der Auffassung, dass „die kurze Wiedergabe des Inhalts geschützter Texte weder gegen urheberrechtliche noch wettbewerbs- oder markenrechtliche Bestimmungen“ verstoße, so die FAZ damals. Das fand in der aktuellen FAZ-Berichterstattung aber keine Erwähnung, sehr wohl jedoch ein anderes Verfahren (es ging um die falsche Interpretation eines FAZ-Artikels durch Perlentaucher), aus dem die FAZ siegreich hervorgegangen war.

Branche „im Bann“ Schirrmachers

Das wiederum wurmt Chervel, er spricht plakativ von einer „Perlentaucher-Affäre“: „Es ist immer dasselbe: Wenn's darauf ankommt, nutzen der Feuilleton-Herausgeber der FAZ, Frank Schirrmacher, und der innere Zirkel der ihm Ergebenen ihre Zeitung als Waffe zur Durchsetzung eigener Zwecke“, schreibt er „In eigener Sache“. Er sehe das so: „Die FAZ gibt halbe Informationen und verlangt ganze Konsequenzen“. Chervel nennt als Beispiel unter anderem die Beurteilung von Martin Walsers Roman „Tod eines Kritikers“ als antisemitisch durch Schirrmacher, noch „bevor dieser überhaupt veröffentlicht war“ („Walser-Affäre“). Schirrmacher übe „einen Bann über die enge Sphäre des Kulturjournalismus aus“, meint Chervel. Kaum einer würde es wagen, ihn zu kritisieren. Wenn doch, schlage die FAZ zurück. Seine Conclusio: „Zumindest zur Information der FAZ-Leser ist der Perlentaucher dringend erforderlich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2007)

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