Austellung: Im Auftrag der Diktatoren

Propaganda. Eine Berliner Ausstellung vergleicht Nazi-Kunst mit Kunst aus den USA.

Jahrzehntelang war die Gegenüberstellung klar: In der freien Welt war Kunst der Avantgarde verpflichtet, abstrakt und expressionistisch. Im Totalitarismus herrschte dagegen biederer Realismus vor. Spätestens mit dem Ende des Kalten Krieges begann diese Vorstellung zu wanken: Dass Futuristen mit Faschisten sympathisierten und vice versa, wusste man bereits. Nun wurde aber zudem immer sichtbarer, wie eng die Beziehungen zwischen russischer Avantgarde und Stalin waren. Und selbst in Nazi-Deutschland fiel eine Entscheidung für einen „Realismus mit Muskeln“ (Neal Ascherson) nicht sofort. Es gab zunächst eine Nähe zum Expressionismus.

Unter dem Titel „Kunst und Propaganda im Streit der Nationen 1930–1945“ sind im Deutschen Historischen Museum in Berlin (DHM) eine vergleichende Betrachtung von bildlichen Inszenierungen und Symbolvorräten dreier Diktaturen der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts sowie Kunst im Auftrag der demokratischen Vorzeigenation und Weltmacht USA zu sehen.

Um es vorwegzunehmen: Wer sich von der Ausstellung einen weiteren Schritt in Richtung einer Auflösung von Unterschieden erwartet hatte, wird enttäuscht sein. Roosevelts demokratische USA des „New Deal“ dient dem DHM als Kontrastfolie, vor der sich die totalitären Bildprogramme noch deutlicher negativ abheben sollen.

Man kann sich an der Propagandakunst leicht die Finger verbrennen. Wohl auch deswegen hat es lange niemanden ernsthaft gestört, dass die ungeliebten künstlerischen Relikte, besonders jene aus der NS-Diktatur, in Archiven schlummerten. Erst die Schau „Aufstieg und Fall der Moderne“ 1999 in Weimar brachte eine Wende, allerdings unter schlechten Vorzeichen: Es war eine unbeholfene Präsentation, nicht zuletzt, weil Avantgarde, NS-Kunst und DDR-Werke unkommentiert gegenübergestellt wurden.

Umgekehrte „Entartete-Kunst“-Schau?

Diesen Fehler wollte man in Berlin vermeiden – und ist ins andere Extrem gerutscht: Man wird förmlich zugetextet. Zudem standen die Kuratoren merklich in dem Dilemma, die Bilder möglichst nicht voll zur Wirkung kommen lassen zu wollen, obwohl die mehr als 400 Exponate der Schau aber auf nichts anderes abzielen, als auf die schiere Überwältigung des Betrachters. Deswegen wurden Brüche eingebaut, etwa ein scheußlich marmorierter Wandanstrich. Jede polemische Überreizung oder gar Dämonisierung aber hätte die Präsentation in Gefahr gebracht, selbst propagandistisch zu wirken: als „Entartete Kunst“-Schau mit umgekehrten Vorzeichen. Die Ausstellung pendelt unentschieden zwischen diesen Polen.

Ein Beispiel für die weiterhin bestehende propagandistische Wucht des ausgestellten Materials ist der atemberaubende Film „Das neue Moskau“ (1938). Mit Hilfe realer urbaner Szenen, Überblendungen und Modellen erscheint die Sowjetkapitale, wie Stalin sie erträumte. Überragt wird sie vom gigantischen, nie vollendeten „Palast der Sowjets“. Dass auch die russische Avantgarde eine Zeit lang mit Feuereifer der totalitären Führung zuarbeitete, wird ausgespart. Dafür ist die Verbandelung italienischer Futuristen mit Mussolini breit dokumentiert.

Die „Aeropittura“ – gemalte Blicke aus dem Flugzeug – und das „Rundprofil des Duce“ (Renato Bertelli) haben nichts von ihrem kühnen Speed eingebüßt. Dagegen wirkt der gemalte NS-Führer geradezu fußlahm, selbst wenn er mit glänzender Artus-Rüstung in den Fußstapfen des „miles christianus“, des „Soldaten Gottes“, hoch zu Ross das Hakenkreuzbanner schwenkt.

Hitler-Porträt stellvertretend ermordet

Nicht trotz, sondern wegen seiner Beschädigung ist dieses 1934/36 entstandene Gemälde von Hubert Lanzinger weltberühmt. Nach Ende des NS-Regimes sind Gesicht und Brust des als Sieg-Heilbringer aufgedonnerten Diktators in einem stellvertretenden Tötungsakt mit dem Messer traktiert worden. Unter dem Auge wurden Teile des Bildträgers regelrecht herausgefetzt.

Was aber noch mehr ins Auge sticht als die Wunde in Hitlers Gesicht, ist der Herkunftsverweis neben dem Bild. Leihgeber ist das U.S. Army Center of Military History. Mit anderen Worten: Bis zum heutigen Tag befindet sich NS-Propagandakunst in amerikanischem Gewahrsam. US-Archive sind bislang wohl als willkommene Zwischenlager erschienen – zumindest, solange von der NS-Kunst noch propagandistische Reststrahlung ausgeht. Das DHM bietet sich jedenfalls als geeignetes Endlager an. Es ist jetzt schon zentrale Sammelstelle für das schwierige deutsche Erbe.

Inline Flex[Faktbox] ZUR AUSSTELLUNG.("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2007)

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