Kritik Volkstheater: Liebe Theater-Tote, immer deutlich sprechen!

Anton Uitdehaag kopiert bei Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" gewichtige Vorbilder. Das minimalistische und prägnante Stück zieht sich infolge hohler Deklamation und vieler Pausen.

„Es soll ja noch schlechter werden. Aber ich lasse den Kopf nicht hängen“, sagt das Mädchen Elisabeth in Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“. Auch wir versuchen bei Betrachtung des Volkstheaters den Kopf nicht hängen zu lassen. Aber es fällt schwer.

Wie kann man ein derart einfaches Stück derart in den Sand setzen? Nach den Castorf-Kopisten sind nun die Kuej-Kopisten unterwegs. Manche versuchen beides zu verbinden. Diesfalls heißt das: Es regnet in der Kiste. Genauer: In die Bühne hinein gebaut ist eine Box, an deren offener Rückseite im letzten Akt das Wasser herab strömt.

Bühnenbildner Tom Schenk hatte aber auch eigene Einfälle, die violette Fläche im Hintergrund der Szene (Depression) und die echten weißen Tauben (Frieden). Es gibt nichts Schöneres als armes Theater. Aber armes Theater mit Tauben-Trainer?

Kurz vor der NS-Machtergreifung in Deutschland schrieb Horváth seinen „Kleinen Totentanz“. Mit einem Wander-Gewerbeschein für Damenwäsche will sich Elisabeth eine selbstständige Existenz gründen, ein Fräulein-Wunder mittels Ich-AG. Doch alles geht schief und das Mädchen ins Wasser. „Nichts beschönigen, nichts verhässlichen“, war Horváths Devise. Regisseur Antoine Uitdehaag wollte deutlicher werden. Das musste er auch, im großen Raum.

Könnten sich die Theaterdirektoren wieder entschließen, kleine Stücke in kleinen Räumen zu spielen und große in großen, würde das den Ausführenden manche Mühe ersparen. So sind sie gezwungen, wie in der Schauspielschule („Gib mir ein Ä wie in zäh, nein nicht E wie Emil!!!“) jedes Wort pedantisch zu betonen. Dialekt mag bei Horváth entbehrlich sein, bedeutungsvolle Hochsprache ist aber ganz verkehrt. Damit auch ja jeder kapiert, was hier gespielt wird, legt man reichlich Pausen ein.

Anders als wohl nach Horváths Absicht sind die Menschen säuberlich eingeteilt in Gut, Böse und Halb-Böse. Mit der knabenhaften Patrycia Ziolkowska ist die Elisabeth passend besetzt, sie ergibt sich keineswegs sofort ihrem Schicksal, auch das ist plausibel gedacht. Dann allerdings muss sie immer wieder mit offenem Mund entgeistert in eine imaginäre Kamera grinsen. Das wirkt konstruiert. Einige ältere Herrschaften sind so sehr bei sich, dass man ihnen neue Facetten wünschen würde, z. B. der grimassierende Präparator Rainer Frieb (was war doch einst Guido Wieland in dieser Rolle grandios!), Beatrice Freys gütig-gemeine Frau Amtsgerichtsrat oder die schnaufend entrüstete Frau Prantl der Vera Borek. Till Firit, der unerträglich knautschige Fritz aus der „Liebelei“, gefällt als Schupo: ein junger, verletzlicher, verletzter Kerl, aus dem doch schon das Männer-Aas von morgen blitzt.

Kuriose Kleinigkeiten verraten, dass die Regie zeitnah sein wollte: Mobil-Telefon, Schutz-Schilde für Polizisten. Die Parade am Ende ist eine Straßenschlacht. Was soll das alles? Dieses Werk muss man nicht aufblasen, verfremden, umdeuten. Es ist wunderbar lakonisch, voller entlarvender Sprüche Verzweifelter in verzweifelter Lage. Keinesfalls ist es eine Sprechoper für Anfänger oder solche, die sich so benehmen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2007)

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