„Es gibt da unterschiedliche Forderungen“

Nicht nur die Kolonialmächte sind wenig bereit, geraubtes Kulturgut zurückzugeben. Um die Benin-Ausstellung gibt es Debatten und einen Vortrag bei einem Symposion.

Bei Kostbarkeiten, die Ethnologen als Forschungsobjekte dienen und dem Publikum zur Schaulust, handelt es sich nicht selten um Güter von Raubzügen einstiger Kolonialmächte. Vor allem England, Frankreich, auch Belgien und Holland sehen sich immer wieder mit Forderungen nach Rückgabe konfrontiert. Ein prominenter Fall sind die Elgin-Marbles von der Akropolis in Athen, heute im British Museum in London. Sie werden immer wieder von Griechenland zurückverlangt. Vergebens.

Auch die „Federkrone des Montezuma“ aus dem Völkerkundemuseum in Wien war des Öfteren ein Streitobjekt. Die Benin-Ausstellung wird auf Internet-Seiten wie Afrikanet als „kolonialistischer Zynismus“ kritisiert. 1897 erbeuteten die Briten bei einer Strafexpedition gegen das Königreich Benin die Kunstschätze, die von dort in mehrere Museen gingen. Die Forderung nach Rückgabe von Objekten, im Katalog der Wiener Ausstellung verzeichnet, kommentiert Christian Feest, Direktor des Völkerkundemuseums vorsichtig: „Das Wichtige ist – und dafür ist die Ausstellung ein sehr gutes Signal –, dass mit allen Beteiligten gesprochen wird. Die Sache ist kompliziert. Es gibt da unterschiedliche Forderungen, des nigerianischen Nationalstaats und des Königshauses von Benin. Ich kann nicht einfach sagen, ich gebe es dem Königshaus von Benin, denn der Nationalstaat von Nigeria hat die Oberhoheit über Benin. Wir schaffen durch diese Ausstellung eine Vertrauensbasis, auf der wir besprechen können, was in Zukunft sein wird. Meine private Meinung ist, dass legistische Maßnahmen nicht viel bringen, auch nicht die Resolutionen der Unesco. Das müssen die ehemaligen Kolonialherren und die ehemaligen Kolonien untereinander regeln.“ Das neue Pariser Völkerkunde-Museum am Quai Branly, vom ehemaligen Präsidenten Chirac durchgesetzt, ist vermutlich voll geraubter Kunstschätze. „Chiracs Theorie ist kühn, aber nicht uninteressant. Er sagt, diese Objekte sind Patrimoine. Durch die großen Migrationsströme leben viele Bürger aus den ehemaligen Kolonien heute als Franzosen in Frankreich.“ Also konkrete Ideen zu Rückgaben gibt es nicht: „Nein“, sagt Feest.

Die Objekte im Völkerkunde-Museum wurden von einem Mäzen angekauft, der dafür in den Adelsstand erhoben wurde. „Es wurde nicht alles von den Engländern raus gebracht. An der Küste (von Nigeria) saßen damals Handelshäuser, auch deutsche, die nicht von Briten die Objekte erworben haben, sondern von der lokalen Bevölkerung.“ Feest hält einen Vortrag zum Thema Restitution beim Symposion „Benin – Könige und Rituale“ heute Mittwoch und am Donnerstag im Völkerkundemuseum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2007)

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