Dunkle Straße ins Weltbewusstsein

Ab 1.Juni im Kino: Lynchs Opus Magnum „Inland Empire“.

Der Ariadnefaden reißt schon zu Beginn: die erfolgreiche Schauspielerin Nikki Grace (in der Rolle ihres Lebens: Laura Dern) sagt für ein Remake des (fiktiven) deutschen Films „47“ zu und verliert sich ab diesem Moment im Korridor-Labyrinth von David Lynch. Sein dreistündiges, auf Digitalvideo realisiertes Opus Magnum „Inland Empire“ wirkt anfänglich als zusammenhangloses Sammelsurium: groteske Hasenmenschen verweisen auf seine Internet-Serie „Rabbits“, Grace Zabriskies großartiger Kurzauftritt erinnert an „Twin Peaks“, dazwischen drücken sich beliebte Motive und Topoi des Regisseurs die Türklinke(n) in die Hand.

Tatsächlich dürfte die vollzogene ästhetische Radikalisierung der „Marke“ Lynch ein notwendiger Schritt gewesen sein, um drohende Selbstkopie und Formelhaftigkeit zu vermeiden. Insbesondere mit seinen zugänglicheren Erfolgsfilmen Lost Highway (1997) und Mulholland Drive (2001) – zu dem sich Inland Empire als Gegenstück begreift – stellte sich bei jüngeren Zielgruppen eine Lynch-Rezeption ein, die seine vielschichtigen Arbeiten zu Stimmungsmachern reduzierte. „Inland Empire“ atmet nun einmal mehr jenen formradikalen, unabhängigen Geist der seinen verstörenden Erstling Eraserhead kennzeichnete.

Überhaupt besetzt Lynch durch ein innovatives Distributionssystem den Begriff des Filmautors neu: da er seinen Digitalfilm in Nordamerika selbst verleiht und die weltweiten DVD-Auswertungsrechte bei ihm liegen, muss er keine Konzessionen an Massenverträglichkeit eingehen. Das Ergebnis wirkt nach innen gestülpt und ist Lynchs bisher selbstreflexivste Arbeit, die sich gefühlsmäßig zwischen Industrie-Nostalgie und Korporatismus-Horror einpendelt: sein oft verwandtes Bild einer Straße bei Nacht scheint nunmehr ins Weltbewusstsein zu führen, hinein in eine Vielzahl aus Korridoren, Identitäten und Erzählfragmenten. mak

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.05.2007)

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