"Sturm" für Arme

APA (Helmut Fohringer)
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Akademietheater. Letzter Burg-Shakespeare der Saison: seltsames Konzept, sonst nett.

Die Feuermauer des Akademietheaters inspiriert Künstler. So roh sind diese Ziegeln, wie Bühnenkunst gerne sein möchte, so karg und arm zum Gott Erbarmen. Dieses wird vom reichen Staatstheater besonders oft erbettelt: Lieber Gott, mach mich reich, dass ich in den Himmel komm oder so ähnlich.

Ein langer Tisch, Stühle, schwarze Wandverkleidungen und ja, eben die Mauer sind die Dekoration für Shakespeares „Sturm“ (Bühne: Bettina Meyer). Im Programmheft wird das Konzept erklärt. Tröstlich: Die Sparsamkeit hat nichts damit zu tun, dass beim „Lear“ und sonst in dieser Saison so viel ausgegeben wurde, dass man sich keine ordentliche Aufführung mehr leisten kann. Aber was ist schon ordentlich im Theater?

Tadellose Schauspieler

Nach der sonderbaren Agitprop-Veranstaltung, die heuer bei den Festwochen unter dem Titel „Tempest“ zu sehen war, gefällt dieser „Sturm“ dank feiner Besetzung: freilich mit nur drei Schauspielern. Das Original zählt 19. Barbara Frey hat inszeniert und einen von Comics abgeschauten, reizenden manieristischen Bewegungskanon für die Figuren erfunden: Ariel legt immer wieder den Kopf schief und schmiegt sich an seinen Herren Prospero. Caliban lacht jedesmal, wenn ihm ein schlimmer Einfall kommt, dreckig wie ein Bierkutscher.

Dem „Sturm“ bleibt nichts erspart. Im Juli kommt in der Reihe über Tabaluga, den kleinen grünen Drachen, der Comic „Das Auge des Himmels“ im TV. Darin tritt ein böser Windgeist namens Tempest auf: Das Foto zeigt ihn mit gefletschten Zähnen wild einen Ventilator drehen. So groß wie der Unterschied zwischen einem Ventilator und einem echten Tornado ist auch jener zwischen einem richtigen „Sturm“ und diesem warmen Lüfterl hier.

Trotzdem ist der Digest ansehnlich geraten: Poetisch übertragen von Joachim Lux und 1,5 Stunden kurz gegenüber dem fünf Akte langen Original; Claus Peymann versetzte vor Jahren mit Gert Voss als Prospero sämtliche Burg-Ressourcen in Rotation, sodass der Glamour fast das Stück wegwirbelte. Der jetzige „Sturm“ stützt die These, dass die praktikablen, billigen zeitgenössischen Dramen dazu verleiten, auch Klassiker praktikabel, schnell und günstig zu produzieren; nur gelegentlich leistet man sich noch einen richtigen „Schinken“ wie „Faust“ oder „Wallenstein“. Da muss aber dann auch nachhaltig geklotzt werden wie jüngst in Berlin mit Stein und Brandauer.

Der König als Narr

Der „Sturm“ gilt als Shakespeares letztes Werk. Die nicht ganz taufrische Grundidee der Aufführung im Akademietheater ist, den alten, müden Dichterfürsten zu zeigen, der als Prospero, bange, ob er es noch einmal schafft, seinen Zauberkasten öffnet und die Puppen tanzen lässt. Johann Adam Oest ist trotz aller Mattigkeit ein strenger, unbarmherziger Chef, der auch beim letzten Aufgebot vollen Einsatz von seinen Mitarbeitern fordert; aber auch von sich selbst, wenn er blitzschnell den prächtigen Königsmantel abwirft und sich in den Narren Trinculo verwandelt. Gutes Bild: Der König als Narr.

Am witzigsten aber wirkt Joachim Meyerhoff, der als Ariel gelenkig auf einer Stange vom Schnürboden herab- und sogar wieder hinaufklettert. Prospero rettete Ariel das Leben. Dieser dient ihm nun, hofft aber auf baldige Befreiung und ist schon ziemlich sauer, weil er immer neue Dienste aufgebrummt bekommt. Trotzdem bleibt er höflich, zieht nur manchmal ein schiefes Maul, schließlich ist er im Prinzip eine Frohnatur. Köstlich! Außerdem spielt Meyerhoff/Ariel auch noch Lover Ferdinand, der Prosperos Tochter Miranda bekommt. Maria Happel glänzt als Caliban und als Miranda.

Vieles von der Handlung wird erzählt, vor allem von Prospero, das ist etwas wirr und öd. Besser man liest es nach im Programm. Dort ist die Kinderfassung der verwickelten Geschichte vom Schriftsteller Franz Fühmann abgedruckt. Obwohl die Darsteller gefallen und bei der Premiere Dienstag bejubelt wurden, mutet das Ganze an wie eine Theaterprobe. Penible Literaturliebhaber müssen auf einen echten „Sturm“ mit allem Drum und Dran weiter warten.

Weitere Termine: 11., 14., 25., 29.Juni.

ZUR REGISSEURIN

Barbara Frey („Geschichten aus dem Wiener Wald“ in Salzburg, „Arsen“ in Wien) inszeniert. Die Schweizerin folgt 2009 Matthias Hartmann, der Burgtheaterdirektor wird, als Chefin des Zürcher Schauspielhauses.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2007)

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