Immer wieder Tauben vergiften: Georg Kreisler wird 85

(c) EPA (Boris Roessler)
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Der Meister des schwarzen Humors feiert am 18. Juli Geburtstag. Bekannt wurde er durch Lieder wie "Tauben vergiften im Park".

Georg Kreisler, Meister des schwarzen Humors, Schriftsteller, Satiriker, Musiker und Sänger, feiert am 18. Juli seinen 85. Geburtstag. Der gebürtige Wiener ist seinen Landsleuten vor allem als Chansonnier aus der goldenen Zeit des Wiener Nachkriegskabaretts bekannt. Mit makabren Chansons wie "Tauben vergiften im Park", "Zwei alte Tanten tanzen Tango" und "Der guate alte Franz" trat er in den fünfziger und sechziger Jahren mit großen Erfolgen in der Wiener Marietta-Bar auf. Am kommenden Montag (16. Juli) erscheint mit "Frühaufnahmen" eine neue CD mit "alten Hadern", noch im Sommer plant Kreisler laut Plattenfirma seinen Umzug von Basel nach Österreich.

Kreisler, der 1938 vor den Nazis in die USA floh und laut eigenen Angaben trotz seiner Geschichte "kein begeisterter Jude" ist, wurde als erster noch lebender Künstler mit einem "Stern der Satire" auf dem Mainzer "Walk of Fame" des Kabaretts geehrt. Vor zwei Jahren erschien seine Biografie unter dem Titel "Gibt es gar nicht", auf seiner neuen CD sind jetzt Lieder zu hören, die es zwar schon gibt, "aber bisher nicht auf einem Tonträger erschienen sind", so eine Sprecherin von Preiser Records.

100.000 x "Gehn ma Tauben vergiften im Park"

Kreisler wurde am 18. Juli 1922 in Wien geboren. Da er Dirigent werden wollte, besuchte er zunächst das Konservatorium. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte er 1938 mit seinen Eltern nach Hollywood, wo er seine Musikstudien fortsetzte. Er arbeitete im amerikanischen Exil als Arrangeur, Pianist und Dirigent beim Film und bei Musicals. Als Truppenbetreuer schrieb er Shows und Revueprogramme für Soldaten und versuchte sich in einer New Yorker Bar als Chansonnier.

1955 kehrte der mittlerweile amerikanische Staatsbürger als Barpianist nach Wien zurück, wo er rasch zum Kabarett wechselte. Im Radioprogramm seiner Heimatstadt stießen Kreislers schwarzhumorige Lieder auf wenig Anklang. Ganz anders verhielt es sich mit den Live-Darbietungen der "Lieder zum Fürchten", "Nichtarischen Arien" und "Seltsamen Gesängen" in der legendären Marietta-Bar: Die Auftritte wurden dort stürmisch gefeiert. Mehr als 100.000 Platten von "Tauben vergiften im Park" verkauften sich in der Folge.

Land der verkannten Genies

Kreisler und seine Werke - Gedichte, Chansons, Bücher, Hörspiele, Kabarett-Texte und Theaterstücke - sind durch eine gewisse Hassliebe zu seiner Geburtsstadt geprägt. Nicht ohne Grund freilich: "Diese Stadt hat nie einen Finger für mich gerührt. Ich bin mehr weggebissen worden als zugelassen", beklagte er sich einmal in einem Interview. Dennoch bleibt das Land der verkannten Genies für ihn bestimmend: "Heimat bleibt eben Heimat, auch wenn man mit ihr geschlagen ist."

Von 1958 bis 1962 lebte der Kabarettist in München, kehrte danach aber wieder nach Wien zurück. Viele Programme präsentierte er mit seiner damaligen Frau Topsy Küppers. Das Erfolgsstück "Heute Abend Lola Blau" war nach der Scheidung des Ehepaares Anlass eines erbitterten Urheberrechtsstreites. Ab 1976 lebte Kreisler in Berlin, wo er gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Barbara Peters auftrat. Vom heiteren Sarkasmus und schwarzen Humor hatte er sich längst zum scharfen Gesellschaftskritiker entwickelt, wie spätere Publikationen zeigen: "Ist Wien überflüssig?" (1987), "Die alten, bösen Lieder - Ein Erinnerungsbuch" (1989) oder "Ein Prophet ohne Zukunft" (1990).

"Dichterkomponistchansonnierpianist"

Zu seinem 80. Geburtstag veröffentlichte der - wie Hans Weigel ihn nannte - österreichische "Dichterkomponistchansonnierpianist" Georg Kreisler eine neue CD unter dem Titel "Lieder gegen fast alles". Im Vorjahr inszenierte er am Hamburger Schmidt-Theater die Neubearbeitung seines Musicals "Adam Schaf hat Angst" mit Tim Fischer. Zuletzt erhielt Kreisler zahlreiche Preise und Ehrungen, darunter etwa den Kabarett-, Kleinkunst- und Satirepreis "Prix Pantheon 2003", 2004 folgte der Richard-Schönfeld-Preis für literarische Satire. Bereits 1988 erhielt er die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold. Dieser Tage setzt Kreisler einen Schritt in Richtung Versöhnung mit seinem Heimatland: Er zieht von Basel nach Aigen bei Salzburg.

3sat bringt unter dem Titel "Und immer wieder Tauben vergiften" am 14. Juli um 22 Uhr eine Hommage an Kreisler. Am selben Tag widmet ihm der Radiosender Ö1 die Sendung "Diagonal - Radio für Zeitgenossen" (17.05 Uhr), am 15. Juli folgt um 22.05 im Rahmen von "40 Jahre Ö1. Contra - Kabarett und Kleinkunst" eine weitere Sendung im Zeichen des Jubilars. ORF 2 sendet das Doku-Porträt am 22. Juli im Rahmen der "Matinee" um 9.30 Uhr. (Ag./Red.)

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