Der lange Atem der Geschichte

Charles Taylor erklärt säkulare Zeiten aus universaler Perspektive.

Sein Werk ist vielgestaltig: Charles Taylor hat sich durch Sprach- und Handlungstheorien, Philosophiegeschichte, politische und ethische Schriften einen Namen gemacht. Zentral ist seine Analyse der Lebensbedingungen in modernen Gesellschaften. Sein bisheriges Hauptwerk dazu war „Sources of the Self“ (1989), eine voluminöse Untersuchung der modernen Identität. Immer stärker wandte er sich danach der Religionsphilosophie zu. Er setzte sich vor allem kritisch mit William James auseinander.

Nun ist folgerichtig mit „A Secular Age“ ein ebenbürtiges Werk zu „Quellen des Selbst“ erschienen, das in der Ideengeschichte noch weiter zurückgreift als zum Beginn der Neuzeit um 1500. Dieser Dialog umfasst jetzt 20 Jahrhunderte, die gesamte Geschichte der Christenheit. Dementsprechend ist diese Untersuchung auch ziemlich eurozentristisch.

Taylor tritt dafür ein, dass das Gespräch in einer säkularisierten Welt offen bleibt. Seine Analyse: Religion und Öffentlichkeit sind heute weitgehend getrennt, der Glaubensverlust war massiv, es haben sich alternative nichtreligiöse Lebensmuster entwickelt. Er weist jedoch zurück, dass Wissenschaft und Rationalität die Geister und Götter von einst gebannt hätten. Die Situation sei weit komplexer. Hier schreibt ein profunder Denker, der sich stark für die Idee des Humanismus einsetzt, für Taylor gibt es keine Endziele, die nicht das Wohl des Menschen im Sinne haben. Er untermauert dies mit einer Fülle von Beispielen. Taylor gehört zu jenen Philosophen, die man einst als Universalgelehrte bezeichnet hat. norb

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2007)

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