Georg Kreisler: "...und schwul bin ich auch nicht!"

EPA
  • Drucken

Georg Kreisler gastiert mit seinem Musical „Adam Schaf hat Angst“ in Salzburg und Wien. Mit der „Presse“ sprach er über Erfolge und Enttäuschungen im legendären Wiener Nachkriegskabarett.

"Der Qualtinger war ein sehr ichbezogener Mensch. Für ihn ging es um die Rolle, die er spielte – und nicht um politische Inhalte. Gerhard Bronner war ein ziemlich rücksichtsloser Geschäftsmann. Die anderen hatten eigentlich nix zu reden. Ich hatte auch nix zu reden. Wenn ich etwas geschrieben habe, hing es davon ab, ob es den zweien gefällt oder nicht. Später haben sie dann sogar bearbeitet, verändert, was ich geschrieben habe. Das war absolut nicht meine Sache."

Eigentlich spricht Georg Kreisler (85) ja gar nicht mehr so gerne über die „ferne“ Zeit des legendären Wiener Nachkriegskabaretts. Aber wenn er sich schon einmal entschlossen hat... dann bitte ausführlich – und die lang gehegten Illusionen über Bronners geniale Hits wie „Der g'schupfte Ferdl“ oder „Bundesbahn Blues“ bröckeln.

Sie waren eben Rivalen, der Bronner, der Qualtinger, der Kreisler, damals in den Fünfzigerjahren im „Intimen Theater“ in der Liliengasse oder in der Marietta-Bar. Einer war auf den anderen eifersüchtig: „Nein. Warum?“, widerspricht Kreisler. „Ich bin ja nur in der Marietta-Bar aufgetreten. Die hat dem Bronner gehört, und er hat mir eine Gage gezahlt. Eine Zeit lang war ich weg, dann hat er mich zurückgeholt und mir das Theater verpachtet, damit ich bleibe. Aber das hat auch nichts genützt. Das damalige Kabarett war harmlos und oberflächlich. Die Politiker sind gekommen und haben herzlich gelacht. Die Themen waren alles andere als aggressiv. Man hat sich über den Heimatfilm ausgelassen. Dabei gab es eine Menge große politische und soziale Probleme. Der Bronner hat mich dann noch Jahre lang verfolgt und versucht, mich in Wien zu verhindern, was ihm auch geglückt ist. Aber es hat mich nicht besonders gestört. Ich habe immer sehr viel zu tun gehabt.“

„Finanziell ging es mir sehr schlecht“

Kreisler, Sohn eines jüdischen Rechtsanwalts, war in der sechsten Klasse, als die Nationalsozialisten einmarschierten. Im Oktober 1938 floh er mit seinen Eltern in die USA. Die Mutter starb früh. Der Vater, der in Amerika mühsam von Rechtsanwalt auf Steuerberater umsattelte, war nicht froh, dass sein einziger Sohn Musiker werden wollte. Und von Spaß beim Dichten herrlicher Klassiker wie „Zwei alte Tanten tanzen Tango“, „Bluntschli“, „Max auf der Rax“ oder „Taubenvergiften“ konnte auch nicht die Rede sein. 1955 kam Kreisler nach Wien zurück: „Mein Vater ist in Los Angeles geblieben und erst mit 79 Jahren wieder nach Wien gekommen. Ich habe schon früh gewusst, dass ich Musiker werden will. Mit 16, 17 habe ich angefangen zu arbeiten, als Korrepetitor. Außerdem habe ich Klavierstunden gegeben. Nach dem Krieg bin ich neun Jahre in New York gewesen und habe in Nachtlokalen gearbeitet. Mein Wunsch war, mehr ins Theater zu kommen. Die Arbeit in den Nachtlokalen war mein Brot. Finanziell ist es mir sehr schlecht gegangen, als ich nach Wien gekommen bin. Außerdem habe ich mich überhaupt nicht ausgekannt in der Branche. Ich wurde auch dementsprechend übervorteilt. Aber ich habe keinen anderen Weg gewusst – und war sehr froh, in der Marietta auftreten zu können.“

Tauben vergiften streng verboten!

Die vergifteten Tauben waren im Übrigen keineswegs unumstritten: „Das Töten von Tieren zu einer heiteren Melodie: Das war man damals nicht gewöhnt. Das Lied galt als aggressiv und durfte in Rundfunk und Fernsehen nicht gebracht werden. Heute ist das Töten von Menschen alltäglich. Sie werden umgebracht, einfach aus Lust und Laune, nicht nur von Terroristen, auch von kriegslüsternen Generalen und Staatsmännern.“ Einen, wenn auch zarten Hintersinn, haben die zwei alten Tanten: „Sie sind ein Symbol dafür, dass sich nichts ändert auf der Welt. Sie tanzen immer weiter.“

Die Texte, zu denen Kreisler auch die Musik komponiert, schreibt er öfter um: „Über Inspiration kann man nicht viel sagen. Es fällt einem etwas ein. Entweder man wirft es weg – oder man macht was draus.“

Die angelsächsische Satire habe Pate gestanden bei Kreislers skurrilen Texten, hört man immer wieder. „Ja schon. Den ,Guten alten Franz' oder den ,Opernboogie' habe ich schon in den USA geschrieben“, erzählt Kreisler: „Aber es ist auch viel Deutsches prägend gewesen: Wedekind, Kästner war ein sehr großes Vorbild, Ringelnatz und Morgenstern natürlich.“ Wäre er in Wien geblieben, wenn die Nazis seine Familie nicht vertrieben hätten? „Sicher. Meine Eltern waren sehr an Wien gebunden. Wir sind Urwiener.“ In Berlin hat er gelebt, in Basel, nun ist er seit einem halben Jahr in Salzburg daheim: „Wir haben ein kleines Haus gekauft. Der Hausmeister, der auch bei den Nachbarn arbeitet, ist zu uns gekommen, hat sich alles angeschaut. Dann ist er nicht mehr gekommen. Ich habe angerufen, er will nicht mehr kommen, sagte man mir, weil ich Jude bin, und er ist Moslem, jung, 30. Antisemitismus ist überall.“

Über Wien hat sich Kreisler immer wieder sehr kritisch geäußert. „Ist Wien überflüssig?“, heißt ein Satirenband. Glückwünsche zu runden Geburtstagen hat er sich verbeten: „Ja, die hätte ich mir aber anderswo auch verbeten. Ich habe keine kritische Einstellung zu Wien. Wenn jemand mir sagt, machen wir was, dann würde ich kommen. Vielleicht komme ich auch so mal, Freunde besuchen.“ Wie ist es mit der Vergangenheitsbewältigung? Was hat sie gebracht?

„Man darf nie vergessen, dass Auschwitz, die Konzentrationslager einzigartig waren. Das ist in Deutschland und Österreich geschehen. Es gibt immer noch einen großen Rest von Antisemitismus und einen nicht so großen Rest von großdeutschem Gedankengut. Damit muss man sich auseinandersetzen. Das ist schwierig. Eine Bewältigung hat nicht wirklich stattgefunden bis heute. Die Bestialität des Menschen aber ist unteilbar. Sie ist nicht typisch deutsch oder österreichisch. Ich war nie der Meinung, dass das nicht auch in anderen Ländern hätte passieren können. Es hängt davon ab, wo ein Hitler zur Macht kommt. Es gibt auch woanders sehr viel, was man bewältigen sollte, z.B. eben in den arabischen Ländern.“

„Alles erfunden“

In der ARGE Kultur in Salzburg gastiert morgen, Donnerstag, Kreislers Musical „Adam Schaf hat Angst“, am Samstag ist es im Wiener Akzent-Theater zu sehen. Kreisler hat das Buch geschrieben und Regie geführt bei der Produktion, er spielt aber nicht mit. Ist die Geschichte eines alten Schauspielers, der in der Garderobe sein Leben Revue passieren lässt, auch ein Stück von ihm?

„Nein. Das ist eine erfundene Sache und hat mit meiner Biografie gar nichts zu tun. Der Protagonist ist bei Kriegsende noch ein halbes Kind, die Geschichte reicht von der Nachkriegszeit bis ins Heute...“ Man hört kurz Kreislers Frau. Dann brummt er ins Telefon: „Ja, und schwul bin ich auch nicht.“

WIENS NACHKRIEGSKABARETT. So lustig war es gar nicht

„Der Hansel geht gern mit der Mali, denn die Mali die zahlt's Zyankali!“ Da standen dem Opa die Haare zu Berge, wenn in den Fünfzigern von der Platte Kreislers Song „Geh ma Tauben vergiften im Park“ erklang. Die alten bösen Lieder und neue sind auch heute noch erhältlich – z.B. bei Amazon.

Gerhard Bronner, Georg Kreisler, Helmut Qualtinger, Peter Wehle, Louise Martini, das war das legendäre Wiener Nachkriegskabarett. Und obwohl sich die Menschen, Krieg und Besatzung entronnen, köstlich amüsierten, so lustig war es gar nicht. Beim Dumser in Neulerchenfeld flogen Messer und Fäuste („Der g'schupfte Ferdl“), der Herr Karl (Qualtinger) war ein übler Mitläufer, Travnicek ein Säufer – und „Bidla Buh“ handelt von einem Frauenmörder („Lola mit der Engelsmiene legt' ich auf die D-Zugschiene“).

Hinter den Kulissen herrschte ein harter Konkurrenzkampf, in dem sich der Literat Kreisler vom bulligen „Quasi“-Qualtinger und Prinzipal Bronner untergebuttert fühlte.

Der Urwiener Kreisler ist heute US-Staatsbürger. Nachdem der Vater, ein Rechtsanwalt, von der Gestapo verhört worden war, floh die Familie mit dem 16-Jährigen im Oktober 1938 nach Amerika, wo Kreisler Musik studierte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.