Pop

Ukraine: Ein schriller Transvestit als Spaltpilz

Sittenwächter meinen, der Eurovisions-Teilnehmer sei eine Schande für das Land.

Kiew/Warschau. Eines steht fest: Für alle geht es um die Ehre des Vaterlandes. Doch ist ein schriller Transvestit ein wirklich guter Repräsentant der Ukraine? Nein, zetern die Nationalisten, also versuchen sie alles, um den Auftritt von Verka Serdyuchka beim Eurovision Song Contest in Helsinki am kommenden Wochenende noch in letzter Sekunde zu verhindern. Unterschriften werden gesammelt, Verka-Puppen öffentlich verbrannt und Demonstrationen organisiert, auf denen der Star aufgefordert wird, den ukrainischen Pass zurückzugeben.

Eine Person versteht die Aufregung allerdings nicht: Verka Serdyuchka. Hinter der Sonnenbrille klimpert die Drag Queen unschuldig mit den Wimpern, spitzt den grell geschminkten Mund und flötet, dass sie ihre Heimat liebe und in Helsinki für ihre Landsleute nach den Sternen greifen werde. Das wird sie mit einem Lied tun, das ebenso verrückt und sinnfrei ist wie die Figur Verka selbst. Frei nach dem Motto: Der Inhalt ist zweitrangig, viel wichtiger ist die Verpackung.

Lob für mongolische Butter

Angesiedelt im Niemandsland zwischen ukrainischer Volksmusik, russischen Balladen und Techno-Pop, sorgt auch ihr Helsinki-Beitrag „Dancing“ für Aufruhr unter den selbsternannten ukrainischen Sittenwächtern.

Diese vermuten hinter dem Schlager eine Beleidigung des russischen Brudervolkes. Denn in ihrem Lied singe Verka: „Ich möchte, dass ihr singt: Russia, goodbye!“ Das sei ein großes Missverständnis. In Wahrheit laute die Zeile: „Ich möchte, dass ihr seht: Lascha Tumbai.“ Das komme aus dem Mongolischen und bedeute „geschlagene Butter“, versicherte treuherzig Andrej Danilko, der hinter dem Kunstprodukt Verka steckt.

Erstaunlich ist, dass Verka auch in Russland zu Ruhm gekommen ist. Die Länder im Osten gelten traditionell eher als homophob und Ausschreitungen gegenüber Schwulen sind nicht selten. Andrej Danilko betont immer wieder, nicht homosexuell zu sein, sondern nur eine Rolle zu spielen. Seine Gegner meinen also, das Land müsse sich von seiner besten Seite präsentieren. Tatsache aber ist: Mit Verka tut die Ukraine das – gemessen an den Maßstäben der Unterhaltungsindustrie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2007)

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