Wildes Kameel

Es ist nur schwer zu beweisen, aber sehr wahrscheinlich wahr: In Wien steht das älteste Szene-Lokal der Welt. Der Innenstadt-Klassiker „Zum Schwarzen Kameel“ nämlich. Genau genommen feiert es 2018, also in schlappen zwölf Jahren, seinen 400. Geburtstag. So alt schaut es definitiv nicht aus, und auch das Publikum wächst immer wieder nach. Genau das ist Eigentümer Peter Friese ziemlich wichtig: dass die Gäste des Jugendstil-Juwels, das in jedem Reiseführer steht, aber vor allem von Wienern besucht wird, immer bunt gemischt sind. Jünger werden, lautet hier also die Parole, die bekanntlich in vielen Unternehmen, Medien und Institutionen ausgegeben wird. Im Fall des Kameel heißt das: viele kleine Schritte, damit die Authentizität erhalten bleibt. Eine falsche Entscheidung und alles wäre vorbei. Nicht auszudenken, wenn etwa das Wahrzeichen verändert würde: der Beinschinken.Die Gäste verzehren an schlechten Tagen fünf, an guten immerhin bis zu 15 Keulen. Selbst der Münchner Star-Versorger Käfer deckt sich hier ein. Das Geheimnis des Schinkens liegt in der Würzung oder besser: der Fast-Nicht-Würzung. Keine Konservierungsmittel, sehr wenig Salz.

Frischen Wind wird wohl der neue Koch, Christian Domschitz, bringen. Im immer lauten Saal sollen die typischen, aus dem Ambassador bekannten Domschitz-Gerichte serviert werden: der Kümmelbraten vom Butterfisch etwa. Hinten im kleinen Puppen-Speisesaal wird weiterhin vor allem klassische Wiener Küche angerichtet, vom Wiener Schnitzel bis zum Kalbsrahmgulasch. Das legendäre Hummer-Szegediner von Domschitz bekommt man auch, allerdings nur auf Anfrage. Die Küchenlinie, laut Eigentümer Friese: kein reiner Luxus, aber auch keine Beisl-Küche. Mit Fertigprodukten zum Mitnehmen, etwa Suppen, Salaten und eingelegtem Gemüse, Pasteten und fertigen Braten, Eintopfgerichten und Desserts soll das Kameel außerdem zum neuen Luxus-Take-away für die Büros der Umgebung werden.
Veränderungen auch baulicher Natur. Der „Clubraum“ zur Naglergasse wird völlig umgebaut. Für den Start der geplanten Renovierungsarbeiten fehlt nur noch das O. K. des Denkmalamts. Die Küche etwa wird durch neue große Fenster in die Naglergasse zur Schauküche für Passanten.

Süßes Kameel

Direkt neben dem Schwarzen Kameel haben die Betreiber einen winzigen Laden gekauft, in dem kleine Mehlspeisen, hausgemachtes Zuckerwerk und süße Häppchen angeboten werden sollen. Dazu hat sich Friese während seiner Paris-Besuche bei Fauchon und Pierre Herm©, den Süßwarenboutiquen, inspirieren lassen. Mit dem neuen Laden möchte man dem Image Wiens als Hauptstadt der Süßspeisen endlich gerecht werden. Das „Süße Kameel“ soll im Herbst seine Pforten öffnen.

Zum Stiebitz gehen

Der Name des Lokals in seiner eigenartigen Schreibweise geht auf das Jahr 1618 zurück, als Johann Baptist Cameel das traditionsreiche Haus kaufte und eine Gewürzkrämerei einrichtete. Zwei Jahrhunderte später übernahm Johann Stiebitz das Lokal samt aromatischem Inhalt. „Zum Stiebitz gehen“ wurde zum geflügelten Wort. 1825 wurde das Schwarze Kameel als einer der ersten „Hoflieferanten“ eingetragen. Allmählich vermischten sich in der Weinstube adelige Gäste mit achtbaren Bürgern, aufstrebenden Künstlern und etablierten Größen der Gesellschaft. Eine Mischung, die es bis heute gibt. Und zum Hoflieferanten: Auch Heinz Fischer lässt sich vom Kameel versorgen.Zu den zitierten Künstlern zählten etwa Georg Ferdinand Waldmüller oder Ludwig van Beethoven, von dem sogar noch eine Originalbestellung archiviert ist. Die heutige Inneneinrichtung stammt aus der Jahrhundertwende.

Anekdoten gibt es natürlich ohne Ende

Als etwa die Franzosen 1809 in Österreich einmarschierten, gab Napoleon den Befehl, insbesondere die Starhemberg‘schen Besitzungen zu belasten. Beim Schwarzen Kameel, dem Weinlieferanten des Fürsten, orderten Napoleons Männer in Folge mit großem Vergnügen Weinvorräte im Wert von mehreren hunderttausend Gulden. Weniger Vergnügen bereitete in den 50er- und 60er-Jahren das Interieur. Die Verkleidung im Speisesaal wurde sogar übermalt, Fliesen kannte man nämlich nur in Badezimmern. „Und insolchen wollte man eben nicht essen“, erzählt Friese. Heute ist das anders: Mittlerweile gibt es sogar eine CD mit den Geräuschen der Bar – damit der Sonntag nicht ohne Kameel-Stimmung vergeht.


Tipp:
Zum Schwarzen Kameel
Bognergasse 5, 1010 Wien
Tel: 01/533 81 2523
Mo bis Sa 8.30 bis 24.00, warme Küche 12.00 bis 14.30 und 18.00 bis 22.30, So und Feiertag geschlossen.

www.kameel.at

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