Flaschenpost

AQA Wassermarketing
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Vorbei sind die Zeiten für langweilige Durstlöscher. Marketing und Design zählen bei Mineralwassern heute mehr als der Inhalt. Die reine Qualität ist längst keine Messlatte mehr, wie eine Quellforschung beweist.

Madonna trinkt „Voss“ aus der norwegischen Wildnis, Mariah Carey greift zu „Fiji“ aus der Südsee und Catherine Zeta Jones soll ihren Durst am liebsten mit „Ty Nant“ aus ihrer walisischen Heimat stillen. Arno Steguweit (29) kennt nicht nur die Vorlieben der Stars, sondern weiß noch viel mehr über Quellen aus aller Welt. Steguweit ist Wasser-Sommelier. Er sorgte im Hotel Adlon in Berlin mit einer Wasserkarte mit 42 Sorten für Schlagzeilen. Die teuerste: Rokko No aus Japan für 62 Euro für die 0,7-Liter-Flasche. Jetzt arbeitet er im Gourmet-Restaurant „Fischers Fritz“ im „Regent“ in Berlin und setzt auf eine kleinere Auswahl: maximal zehn Wässer, die sich deutlich unterscheiden, zu einem reellen Preis. „42 sind zu viel. Die Leute sind überfordert, und es entsteht Desinteresse nach dem Motto: Die wollen eh bloß unser Geld.“

Wasserwissen

Rigoros geht er mit dem Thema Wasser und Wein um. „Der Wein ist das Luxusgut, das Wasser der Mittler“, sagt er. Seine Methode: Junge frische Weine kommen mit höher mineralisierten Wässern zurecht. Bei säure- und gerbstoffarmen Weinen heben Mineralien Säure und Tannine hervor, bei Süßweinen mildern sie die Süße. Heilwässer gelten aufgrund ihres hohen Mineralstoffgehalts und des Eigengeschmacks nicht als ideale Weinbegleiter. „Tödlich“ für den Genuss sind Zitronenscheiben oder Eiswürfel im Wasser, erklärt der Fachmann. „Nur Barbaren schlürfen Eisgekühltes“. Stille Wasser sollten bei 15 bis 18 Grad Aroma und Geschmack entfalten dürfen, kohlensäurehaltige bei acht bis zwölf Grad.

Steguweit ist nicht der einzige Wasserexperte. Im Schweizer Ort La Chaux-de Fonds führt José Barocca den ersten reinen Mineralwasserladen Europas: Insgesamt 200 Produkte stehen im Regal. Oder Markus Hörmann: Im Restaurant des Wiener Hotels Le Meridien rollt er seinen Wasserwagen mit 20 edlen Sorten durch den Saal. Und Giorgio Masini: Er serviert reinstes Regenwasser aus der australischen Wüste: 7800 Tropfen Cloud Juice aus Tasmanien für sechs Euro. Der tasmanische Wolkensaft gehört zu den „Grands Crus“ im Restaurant des Pariser Concept-Stores Colette. Dort steht Frankreichs erste Wasserbar. Rund 80 Wasser aus der ganzen Welt kann Giorgio kredenzen – und versorgt seine Gäste mit eigenem Vokabular: Beim Betrachten ist Wasser brillant oder flüssig. Auf die Nase wirkt es mineralisch oder frisch. Im Mund fühlt es sich hart oder weich an, lang oder kurz, je nachdem, ob es einen dauerhaften Eindruck hinterlässt oder nicht. Schmecken tut es sauer, alkalisch, bitter, süßlich, felsig oder salzig. „Der Trend geht zur originellen Flasche, das Auge trinkt ständig mit“, sagt er und stellt das „Swarovski-Wasser“ auf die Theke – ein Quellwasser aus Tennessee in einer schlanken Mattglasflasche mit Kristallsteinchen.

Außen hui, innen ...?

Apropos Designflasche: Hier machte ein weiterer Wasserexperte schlechte Erfahrungen. Stephan Bruck, der sich mit seiner Firma AQA mit Wassertests beschäftigt, zahlte in einem Wiener Nobelrestaurant 11,40 Euro für 0,75 Liter Mineralwasser. Er griff zur Flasche und war erstaunt: Weder der Quellort noch das Prüfinstitut und Prüfdatum war angegeben, auch die Inhaltsstoffe schienen ihm lückenhaft. Bruck wunderte sich, „dass man über so teures Mineralwasser so wenig erfährt“.

So entstand die Idee eines Design-Mineralwasser-Tests. Bruck kaufte zwölf Flaschen, die entweder mit Flaschendesign, mit Angaben über den Inhalt oder vor allem durch den Preis von sich behaupteten, außergewöhnlich zu sein. Mit dem Chemiker Martin Jung von Seibersdorf Research wurden die Produkte auf mehr als 25 Inhaltsstoffe untersucht und mit den Herstellerangaben verglichen.

Inhaltsleer

Das Ergebnis schmeckt schal: Nur vier von zwölf Herstellern geben das Prüfinstitut bekannt, das das Wasser zertifiziert hat. Zehn der zwölf untersuchten Produkte verzichten auf die Angabe des Prüfjahres. Bruck und Jung kritisieren die schlechte Lesbarkeit der Inhaltsangaben: „Einige der Wässer, etwa Oxygizer oder Montes, geben die Inhaltsangaben an der Innenseite der Flasche an. Sie durch das Glas zu lesen, ist beinahe unmöglich.“

Weiteres Negativum: Einige der Hersteller geben an, besonders viel Sauerstoff im Wasser zu haben. „Das ist mit herkömmlichen Methoden so nicht nachvollziehbar“, sagt Jung. Er nennt das Beispiel O2 alive regular, das damit wirbt, 50 mg Sauerstoff pro Liter im Wasser zu haben – 500 Prozent mehr als die Konkurrenz. Ähnlich beim Produkt Oxygizer: 150 mg/l sind angegeben, messbar waren nur 42 mg/l. Chemiker Jung bleibt skeptisch: „Wenn Sie vor dem Trinken einmal kräftig Luft holen, haben Sie bestimmt mehr Sauerstoff zu sich genommen, als in dem ganzen Wasser steckt.“ Er vergleicht solche Phänomene mit Grander- oder Mondwasser wie dem Pineo, dessen Kraft davon kommen soll, dass es an Vollmondabenden abgefüllt wird: „Entweder man glaubt daran oder nicht“.
Bei nur zwei von zwölf getesteten Wässern (Montes aus Österreich und San Pellegrino aus Italien) ist annähernd alles drinnen, was außen draufsteht. Eines wollen die beiden Tester festhalten: Alle Wässer entsprechen der Trinkwasserverordnung. Jung: „Wer einen Salat aus Holland isst, nimmt unter Umständen mehr Nitrat in sich auf als mit den getesteten Wässern.“

Trotzdem: Den Herstellern der Mineralwässer am Markt geht es um Marketing und Design, die Qualität des Wassers ist keine Messlatte mehr. Wasserflaschen erinnern optisch immer stärker an Parfümflakons und werden zu Sammlerstücken. Voss etwa ließ seine Flasche von Neil Kraft, dem früheren Calvin-Klein-Kreativdirektor, entwerfen. Evian bringt Limited-Gold-Editions und Künstler-Flaschen auf den Markt, die auf eBay mittlerweile um bis zu 100 Euro gehandelt werden – eine Wertsteigerung um 1500 Prozent. Der italienische Hersteller Lauretana lässt seine Flaschen von Pininfarina stylen, dem Designbüro, das schon dem Alfa seine Form gegeben hat. Dafür behauptet Lauretana, das leichteste Mineralwasser der Welt zu produzieren. „Bei 14 Milligramm Mineralisierung pro Liter können Sie auch gleich destilliertes Wasser trinken“, so Bruck. „Bei vielen Designerwässern ist so wenig an gelösten Mineralien drin, dass ein Schluck vom Wiener Leitungswasser dem Körper mehr Mineralien zuführt als das Lifestyle-Getränk.“ Und günstiger ist es obendrein: 1000 Liter Wiener Quellwasser kosten nur 1,1 Euro.

In aqua veritas

Wasserbar an der Seine. Rund 80 Mineralwässer werden in der spartanischen Bar im Untergeschoß des Concept-Stores Colette in Paris serviert. 213 rue Saint-Honoré , 75001 Paris, Tel.: +33 1 55 35 33 93, www.colette.fr

Der Wassersommelier. Arno Steguweit berät im Gourmet-Restaurant „Fischers Fritz“ im Regent Hotel Berlin. Charlottenstraße 49, 10117 Berlin, Tel. Tel: +49 (0) 30 2033 8, www.theregentberlin.com

Der Wasserladen. Jungunternehmer José Barocca hat rund 200 Sorten Mineralwasser aus der ganzen Welt im Regal seines „Vital‘Eau“ in La Chaux-de-Fonds. Avenue Léopold-Robert 72, Tel.: +41 032 913 97 79, www.vitaleau.ch

Wassertest per Post. Der AQA Wassercheck untersucht 24 Parameter im Leitungswasser. Die Testpackung liegt in jedem Postamt auf. Wasser ein-, Datenblatt ausfüllen und abschicken. Die Auswertung des von AQA und arc seiberdorf durchgeführten Test kommt per Post nach Hause. 45 Euro. www.aqa.at

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