Falsche Hoffnung auf saubere Luft

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Dieselpartikelfilter. In Deutschland macht ein Skandal mit wirkungslosen Nachrüstfiltern die Runde. Auch bei uns zeigt sich: Die Filter erfüllen die Hoffnung auf saubere Abgase von Diesel-Pkw nicht. Trotz Förderungen mit Steuergeld.

Rauchen fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu.“ Aber nicht vom blauen Dunst der Glimmstengel ist hier die Rede, vielmehr vom schwarzen Qualm, den Dieselfahrzeuge tonnen­weise in die Luft blasen. Große Fahrzeuge mehr als kleine, alte mehr als neue.

Um das Ausmaß bewertbar zu machen, werden Fahrzeuge in ­Europa in Schadstoffklassen eingeteilt, von Euro1, Tummelplatz der Altlasten, bis zur derzeit saubersten Stufe, der Euro4, mit der noch strengeren Stufe Euro5 ab 2009 in Aussicht. Anders als in ­Österreich hat die Schadstoff­klasse eines Fahrzeugs in Deutschland unmittelbare Auswirkung auf die Kraftfahrzeugsteuer: Umweltsünder werden bestraft, Saubermänner belohnt. Um der Be­strafung durch den Finanzminister zu entgehen, nutzen viele deutsche ­Autofahrer, bisher etwa 170.000, die Möglichkeit, ihr Fahrzeug auf eine günstigere, weil sauberere Schadstoffklasse umrüsten zu lassen – bei Dieselfahrzeugen etwa durch Nachrüsten eines Partikelfilters. Der erreicht zwar nicht die Effizienz eines Serienfilters, dennoch versprechen die Hersteller solcher Nachrüstfilter eine Verminderung des Partikelausstoßes um 50 bis 70 Prozent, bei den besonders gefährlichen Feinpartikeln gar bis zu 90 Prozent. Die Umbaukosten von etwa 700 Euro rechnen sich bald, zumal der Staat die Umrüstung mit 330 Euro fördert. Neben der Strafsteuer entgehen umgerüstete Fahrzeuge dem drohenden Fahrverbot in Städten bei besonders hoher Luftbelastung.

Entsprechend groß war der Schrecken, als sich herausstellte, dass es mancher Hersteller von Nachrüstfiltern mit der Qualität seiner Produkte nicht sonderlich genau nahm. Ein Schweizer Labor bescheinigte den Partikelfiltern dreier namhafter Hersteller (GAT, Bosal, Tenneco/Walker) völlige Nutzlosigkeit: Die Rußpartikel könnte man ebenso durch die Löcher im Emmentaler schicken.

Das Ergebnis der Untersuchung landete bereits im Herbst 2006 auf dem Schreibtisch von Umweltstaatssekretär Matthias Machnig –
doch der vergaß dummerweise, das Kraftfahrbundesamt zu informieren, das die Filter rechtzeitig aus dem Verkehr hätte ziehen können. Und weil auch in deutschen Ministerien vieles höchster Geheimhaltung unterliegt, wurde die Herausgabe des schweizerischen Prüfberichts an die Deutsche Umwelthilfe verweigert. Diese klagte und bekam das Recht auf Einsicht zugestanden, nun ist der Skandal perfekt: Den Bauteilen, die in bis zu 60.000 Autos verbaut wurden, entzog man umgehend die ­Betriebserlaubnis.

Die deutsche Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Hersteller GAT wegen Betrugs, der bevorstehende Austausch der nutzlosen Filter dürfte das Unternehmen wohl in die Insolvenz treiben. Die anderen betroffenen Hersteller haben bereits kostenlosen Ersatz zugesagt, auch Werkstattketten nehmen den Austausch unentgeltlich vor.

Der Schaden für die Atemluft ist freilich längst angerichtet. In Österreich ist ein Skandal in dieser Dimension kaum denkbar – oder doch? Die Zahl der umge­rüsteten Fahrzeuge ist jedenfalls überschaubar. Aus finanziellen Gründen: Nur noch in Oberösterreich gibt es einen Zuschuss von 300 Euro für eine Nachrüstung. Salzburg und die Steiermark haben ihre teilweise großzügigen Förderprogramme wieder eingestellt. Die anfangs große Nachfrage nach Nachrüstfiltern hat sich entsprechend abgekühlt.

Profitiert hat in jedem Fall der steirische Auspuffhersteller Remus, der quasi ein Monopol auf die Filter innehat. Was die gute Auftragslage über die letzten drei ­Jahre freilich der Luftqualität bringt, ist fraglich. Die angepriesenen Filter­raten wurden in unabhängigen Tests in der Praxis nämlich – bei keinem Hersteller –
auch nur annähernd erreicht. Bestenfalls ­vierzig Prozent Filterrate erreichten die ­Nachrüstfilter im wirklichen Leben, der ÖAMTC nennt lieber ­Zahlen zwischen 25 und 30 Prozent. Mit dieser ­Quote gibt sich auch die deutsche Behörde für eine staatliche Förderung schon zufrieden. Und das bei einem Mehrverbrauch von bis zu eineinhalb Litern auf hundert Kilometern.

Das liegt an der Technik, die derzeit nichts Besseres zu bieten hat. Anders als serienmäßig verbaute Partikelfilter, bei denen das gesamte Motormanagement mitspielt, arbeiten Nachrüstfilter nach dem Durchflussprinzip („offene“ Systeme). Dabei wird das Abgas nicht durch einen porösen Filterkern gepresst, sondern durch ein Kanalsystem über eine eingearbeitete Vliesschicht gelenkt. Dort bleiben die Partikel hängen und werden bei ausreichend hoher Abgastemperatur katalytisch abgebrannt. Genau dies ist die Schwäche des Funktionsprinzips: Eine „genügend hohe Abgastemperatur“ wird nur bei entsprechender Belastung des Motors erreicht, ­also etwa auf der Autobahn. Gerade –
und ausgerechnet – im Stadtverkehr dagegen ist das Abgas zu kühl, die Partikel werden eingelagert, bis das Speichervolumen des Filters ausgeschöpft ist. Weil Durchflussfilter offene Systeme sind, kann das Abgas trotzdem noch durch den Auspuff strömen, jetzt aber ungefiltert und, weil vom „verstopften“ Filter gebremst, mit deutlichem Mehrverbrauch des Motors. Erst bei der nächsten Ausfahrt auf die Autobahn werden die eingelagerten Partikel wieder abgebrannt. Der Cheftechniker des ÖAMTC, Dr. Max Lang, gibt sich schon zufrieden, „wenn 30 Prozent Filterwirkung erreicht werden“. Wer nur oder vornehmlich in der Stadt ­unterwegs ist, kann sich die Nachrüstung gleich ganz schenken: „Dann tendiert der Effekt der Nachrüstfilter gegen null Prozent.“

Ob dieser bescheidene Erfolg zu Recht mit Landesmitteln – also Steuergeld – gefördert wurde, bleibt fraglich. Das Motto lautete wohl: „Hilft es nix, schadet es nix“. Letzteres jedenfalls nicht dem ­Hersteller.

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