Flaxx Chair: Ein Selbstläufer auf vier Beinen

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Der Designer Martin Mostböck hat sich in der Automobilindustrie ein neues Material angelacht. Und in Udine den passenden Designhersteller dafür.

ls hätte sich ein Stück Wien im 17. Jahrhundert aus der Zeit ausgeklinkt: Im Heiligenkreuzerhof im ersten Bezirk in Wien herrscht noch heilige Ruhe. Auch weil dort die Autos stehen statt zu fahren. Hier wohnt und arbeitet Martin Mostböck, Architekt und Designer. Seinen Kaffee trinkt er trotzdem gern, wo es ein bisschen mehr wurlt und wuselt: Bei Zanoni, zwei Gassen weiter, am Lugeck – eine italienische Exklave mitten in Wien. In den vergangenen Monaten führten Mostböcks italienische Ausflüge oft ein Stückchen weiter, nach Udine. Dort hat der Designmöbelhersteller Moroso sein Zuhause, und dort ließ sich Patrizia Moroso, die Leiterin des Unternehmens, von der Designerin Patricia Urquiola ihr Zuhause bauen. Martin Mostböck aus Eisenstadt ist schließlich auch bei Moroso heimisch geworden, mit seinem Entwurf des Flaxx Chair. Ein vierbeiniger Freischwinger aus einem größtenteils nachwachsenden Material, das sich lange vor der Öffentlichkeit in den Türverkleidungen der Autos versteckte.

Gearbeitet, gestaltet und geplant hat Mostböck viele Jahre beim Architekturbüro Coop Himmelb(l)au; vor allem Wohnbauten in Wien hat er umgesetzt. Ein relativ träges Geschäft, die Architektur, meint Mostböck. Zwischen ersten Ideen und Realisierung vergeht oft ein Jahrzehnt. Denn da gibt es immer eine Menge zu berechnen: Investitionssummen, Renditen, Bauphysik, Haustechnik. Das Design dagegen kommt oft schneller zur Sache. Und auf den Punkt. „Im Idealfall hat man in der Früh eine Idee, zu Mittag ein Modell und abends einen Prototyp“, sagt Mostböck. Manchmal dauert es dann doch auch drei Tage. Wie im Fall des Flaxx. Mostböcks Meer ist ja normalerweise der Neusiedlersee, manchmal auch die Adria. Dort hat er das Designstudio immer dabei, in seinem Kopf. In der Sonne Grados formten sich die ersten Ideen und Gedanken zum Flaxx Chair. Vor dem inneren Auge hat er ihn zunächst gezeichnet, „dann habe ich alles in eineinhalb Stunden auf zwei A4-Blätter skizziert“, erzählt Mostböck. Ein Foto von der Skizze ging per Mail an das Unternehmen Intier Automotive Eybl. Und während Mostböck noch im Liegestuhl lag, brachte der 3-D-Drucker schon das erste Modell im Maßstab 1:5 auf die Welt.

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Zack-zack. „Die haben da in der Automobilindustrie einfach einen extremen Speed drauf“, sagt Mostböck. Selbst in der Zulieferindustrie bewegen sich die Technologien rasant. Natürliche Flachsfasern, die mit einem gewissen Anteil textiler Propylenfasern verbunden werden – daraus wurde ein überaus leichtes und trotzdem extrem formfestes Material, das etwa für Türverkleidungen in Autos verwendet wird. „Der Hersteller wollte schließlich das Material und die Technologie dahinter einmal sichtbar machen“, erzählt Mostböck. Und so nahmen sie als Flaxx Chair schließlich Gestalt an. Zunächst bestuhlte das Unternehmen nur die eigenen Räumlichkeiten damit. Doch ab diesem Jahr könnte der Stuhl in ganz andere Räume einziehen. Denn irgendwann rief Patrizia Moroso an.

„Im Grunde ist mir immer schon Moroso als Hersteller vorgeschwebt“, sagt Mostböck, „der Stuhl passt einfach zu ihnen.“ Als der Designer nach Udine fuhr, mit dem Flaxx Chair im Gepäck, hatte er wieder so ein Zack-zack-Erlebnis. „Patrizia ist extrem schnell. Sie hat eine unglaubliche Erfahrung und ein großartiges Gefühl für Farben.“ Die Überzeugungsarbeit dauerte letztendlich noch kürzer als der Entwurfsprozess. Selbst für die groben Schweißnähte, die die zwei Metallbügel verbinden, musste Mostböck nicht viel argumentieren. „Es schaut eben aus, wie es ausschaut. Denn da wirken große Belastungen, da kommen Torsion und Schub zusammen“. Da müsse man nichts kaschieren. Wo extreme Kräfte wirken, darf man es dem Rahmen auch ansehen – dabei hat der Designer auch ein wenig an die Rahmen einer italienischen Motorradmarke gedacht. Mostböck entwarf auf Morosos Anregung hin noch einen Tisch dazu, auch aus zwei sich überlappenden Metallbügeln, und beim Salone del Mobile im April wurde der Stuhl der Öffentlichkeit präsentiert.

Haptisch. „Das Material fühlt sich samtig-glatt an“, sagt Mostböck. Und es ist zu hundert Prozent recycelbar. Der größere Anteil wächst auf dem Feld. Der kleinere Anteil sind Propylenfasern, die das Ganze hoch belastbar machen. Selbst die populären Science Busters samt übergewichtigem Professor Werner Gruber haben das im Eigenversuch auf dem Flaxx Chair nachgewiesen. Der Videoclip dazu wurde auf YouTube immerhin 12.000 Mal angeklickt. Ins Museum ist der Stuhl auch schon gewandert, in die Sammlung des Wiener MAK. In den dortigen Räumlichkeiten ist auch ein anderer Entwurf Mostböcks bereits zu Hause: Garcia heißt der stapelbare Stuhl, den er für Braun-Lockenhaus entwickelt hat. Auch im New Yorker Museum of Arts and Design ist ein Objekt Mostböcks bereits untergekommen: Der Best Friends Chair spielt darauf an, dass selbst beste Freunde das Prinzip des „Hackl ins Kreuz“ beherrschen.

Tipp

Der Flaxx Chair hat sogar eine eigene Homepage: www.flaxx.at. Sein Schöpfer, Martin Mostböck, natürlich auch: www.martin-mostböck.at. Wann und zu welchem Preis der Flaxx erhältlich sein wird, kann man bei Prodomo in Wien erfragen, www.prodomowien.at

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