Culture Clash

Kampfwörter. Nennen Sie mich ruhig phobiophob – aber ich finde den Trend bedenklich, unsympathische Ansichten als Phobien, also psychische Störungen, zu klassifizieren.

Frontnachrichten
aus dem KulturkampfGerade habe ich im Radio vom neuen „Jahrbuch für Islamophobieforschung“ gehört. Mich erstaunt der Name. Denn der Begriff „Islamophobie“ ist ein Dysphemismus, also eine herabsetzend gemeinte Bezeichnung. Die kann man als Wissenschaftler schon untersuchen, etwa begriffsgeschichtlich, aber wenn man sie als Terminus übernimmt, wird man selbst Teil jener Polemik, die man untersuchen möchte. „Islamophobieforschung“ klingt so wenig nach seriöser Wissenschaft wie „Gutmenschenforschung“.

„Phobie“ ist ein gut eingeführter Begriff der Psychiatrie für irrationale Angstzustände. Es ist ein Untergriff, wenn man Ansichten, die einem unsympathisch sind, als Phobie klassifiziert. Natürlich gibt es virulente Vorurteile, und manche Menschen haben auch einen echten Knacks: Wenn mein Chef wieder einmal nett über Moslems gesprochen hat, rufen zum Beispiel vermehrt Menschen in meinem Büro an, die ein gesteigertes Bedürfnis haben, in den Telefonhörer zu schreien. Das Angstgerede ist trotzdem fehl am Platz, aber wirksam: Wenn ich Menschen mit anderen Vorurteilen als meinen psychische Störungen unterstelle, muss ich mich mit ihnen nicht argumentativ befassen. Irrationales braucht man nicht widerlegen – eine Diskussionsebene, auf der der Angegriffene sich kaum wehren kann. Und Angst ist ein Vorwurf, der klein macht. Weil niemand auch nur in die Nähe eines Feiglings gerückt werden will, kann man mit einem Phobie-Verdikt ein weites Gebiet zur Tabuzone erklären: Jede Meinung, die aus einer Aversion kommen könnte, die einer Angst entstammen könnte, wird mitumfasst.

Ich finde daher den Begriff der Islamophobie schlecht. Die islamophobieverdächtige Ansicht etwa, dass der Islam Frauen benachteiligt, ist vielleicht falsch, aber nicht irrational. Genauso ist es mit dem Begriff Homophobie. Es ist vielleicht falsch, aber nicht irrational, dass man die Ehe als Geschlechterkombination begreift. Und ich mag auch den Begriff der Christianophobie nicht, auch wenn ich gute Freunde habe, die ihn verwenden. Es ist keine irrationale Panikreaktion, wenn man Kreuze aus dem Klassenzimmer entfernen möchte.

Angst scheint mir oft nicht einmal die richtige Diagnose zu sein, selbst wenn es sich tatsächlich um Verhaltensauffällige handelt. Ich habe einige schon erlebt. Hasserfüllt ja. Auch voller Verachtung. Aber ängstlich kamen sie mir nicht vor. Aber es ist natürlich verführerisch, dem anderen gönnerhaft zu sagen: In Wirklichkeit hast du ja nur Angst! Ob es sehr tapfer ist, so zu reden, lasse ich jetzt offen. Wissenschaftlich ist es wohl eher nicht.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2013)

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