Bomben statt Argumente

Nein, auch ich will nicht alle Muslime unter einen Generalverdacht stellen, aber festzuhalten bleibt: Nicht jeder Muslim ist ein Terrorist, aber in den letzten zehn Jahren war jeder Terrorist ein Muslim.

Na wunderbar, so habe ich mir interreligiöse Toleranz immer vorgestellt: Die einen bomben und die anderen werden ermahnt, doch bitteschön stillzuhalten. Natürlich wollte Carla Amina Baghajati („Duldende Toleranz ist zu wenig“, Gastkommentar, 15. September) in ihrem Appell zum „qualitativen Diskurs“ auch auf einen Aufruf zum Dialog nicht verzichten, das alles klingt ja sehr schön und wird den naiven Leser durchaus beeindrucken.

Wer sich allerdings ein wenig mit dem Islam beschäftigt hat, weiß um den Begriff Takiya, das heißt, um die Lehre von Al-Ghazzali (1059–1111), einem der bedeutendsten Lehrer des Islam, der seinen Jüngern im Kampf gegen die Ungläubigen zu Lüge und Verstellung rät: „Wisse, dass die Lüge nicht falsch ist. Wenn eine Lüge der einzige Weg ist, ein gutes Ergebnis zu erzielen, ist sie erlaubt. Daher müssen wir lügen, wenn die Wahrheit zu einem unangenehmen Ergebnis führt.“

Aber vielleicht meint die Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft ja wirklich, was sie da geschrieben hat. Nur dann hat sie uns ein Idealbild gezeichnet, das mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Nein, auch ich will nicht alle Muslime unter einen Generalverdacht stellen, aber wer sich an die Realität hält, muss zunächst einmal zugeben: Wo immer derzeit Terroristen ihr Unwesen treiben, sind es Islamisten. Festzuhalten bleibt: Nicht jeder Muslim ist ein Terrorist, aber in den letzten zehn Jahren war jeder Terrorist ein Muslim.

Erfindungen christlicher Kreuzzügler?

„Gegenseitige Akzeptanz, nicht duldende Toleranz“ ist leider nicht möglich, wenn die zu Akzeptierenden statt mit Argumenten mit Bomben um sich werfen. Sind die von Frau Baghajati kritisierten „Schlagworte“ wie „Zwangsheirat“ und „Ehrenmord“ denn Erfindungen christlicher Kreuzzügler? Ist denn die allseits beklagte Gewalt gegen Frauen, der Hinweis, dass der Islam Frauen für minderwertig hält, eine westliche Demagogie? (Koran Sure 4, Vers 34: „Die Männer stehen über den Frauen. Und wenn ihr fürchtet, dass Frauen sich auflehnen, dann vermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie!“)

Und gänzlich in den Bereich des Takiya gerät die Medienreferentin, wenn sie zu erklären versucht, dass sich Muslime zu „Pluralismus, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte“ bekennen würden. Basam Tibi, selbst Muslim, meint dazu: „Ist ihr (gemeint sind die Muslime, Anm. d. Verf.) Bekenntnis zu Demokratie und religiösem Pluralismus aufrichtig oder bloß Iham, also bewusste Täuschung der Ungläubigen, die nach dem Koran erlaubt ist?“ Und Mark A. Gabriel (immerhin einst Professor für Islamische Geschichte an der Al-Azhar-Universität in Kairo) ergänzt, es zeuge von Ignorantentum, zu glauben, dass der Islam nur eine Religion und nicht in Wirklichkeit eine Staatsform ist.

Keine Alternative zur Scharia

Dementsprechend unterzeichneten am 5.August 1990 die 45 Außenminister der der „Organisation der islamischen Konferenz“ (dem höchsten weltlichen Gremium der Muslime) die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte“, in der es heißt: „Alle Rechte und Freiheiten, die in dieser Erklärung genannt werden, unterstehen der islamischen Scharia. Die islamische Scharia ist die einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung.“ Das heißt, für den gläubigen Muslim gibt es zu Koran und Scharia keine Alternative, alles Gerede von Demokratie und Rechtsstaat ist nichts anderes als Takiya.

Man würde Frau Baghajati und der Islamischen Glaubenskonferenz all die freundlichen Erklärungen ja so gerne glauben, wüsste man nicht, dass der Verfassungsschutz in Österreich und Deutschland immer öfter ganz andere Beobachtungen macht: Da werden, wie kürzlich in Wien, Kontakte aufgedeckt zu islamischen Organisationen, die den Terror unterstützen; da gibt es Pläne für eine schleichende Umwandlung westlicher Staaten in einen islamischen Gottesstaat, da ist fast täglich zu lesen von ideologischer Hetze, von Hasspredigern, deren Thesen unvereinbar sind mit Toleranz, Menschenrechten und unserer Verfassung. „Unser Land ist nicht nur abstrakt, sondern sehr konkret durch internationalen Terrorismus bedroht“, sagte kürzlich der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble, es wäre naiv zu meinen, Gleiches gelte nicht für Österreich.

So hat der Präsident der Vereinigung Österreichischer Kriminalisten, Alfred Ellinger, jüngst seine Erfahrungen niedergeschrieben: „Geben wir uns keinen Illusionen hin. Europa wird das Schlachtfeld für einen großen Kampf zwischen der Ordnung des Islam und ihren Feinden.“ Er weist darauf hin, dass bereits 15 Millionen Muslime in der Europäischen Union leben und der Islam damit zu einem explosiven Importartikel geworden ist: „Muslime, viele Muslime, haben auf der Flucht vor den Kriegen und Gräueln in ihren Heimatländern den Islam und überwiegend einen fundamentalistischen, radikalen Islam in die ,bilad al-kufr‘ (die Länder des Unglaubens) gebracht. Diese neue Gattung von Islamisten fühlt sich nur einem radikalen Islam verpflichtet. Die Vorstellung der Europäer, dass der Pluralismus und die Vielfalt der offenen europäischen Welt zu einem anderen Verständnis des Islam führen müssten, hat sich nicht verwirklicht. Vielmehr ist in den ,bilad al-kufr‘ die Religion zum Instrument des Kampfes geworden.“

Anlass zum Misstrauen

Natürlich wird niemand davon ausgehen, dass diese 15 Millionen Muslime mit Bomben in der Tasche herumrennen. Und natürlich macht der Dialog, den sich Frau Baghajati wünscht, auch Sinn. Das Problem aber liegt darin, dass viele Funktionäre des Islam in Europa immer wieder Anlass zum Misstrauen geben, dass sie in ihren Sonntagsreden Geduld und Mäßigung beschwören, gleichzeitig aber in der Praxis fundamentalistische Strömungen verteidigen oder sogar unterstützen.

Diese Leute geben der Gesellschaft hierzulande das Gefühl, die von uns mit größter Überzeugung praktizierte Toleranz ist in ihren Augen nur Schwäche und Dummheit. Nicht umsonst weist der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2007 darauf hin: „Der islamistisch motivierte Extremismus und Terrorismus bleibt kurz-, mittel- und langfristig die primäre Gefährdungsquelle für die innereuropäische und innerösterreichische Sicherheit. Diese Einschätzung beruht (...) in der Zunahme an ExtremistInnen unter zweiter muslimischer Einwanderergeneration in Folge eines an Eigendynamik gewinnenden Radikalisierungsprozesses.“ Ich denke, Frau Baghajati und die IGGiÖ sollten, statt „duldende Toleranz“ zu beklagen, ihr Augenmerk auf diesen Teil ihrer Schäfchen richten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2007)

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