Durchschalt-Parole für den ORF

Was ist das für ein Stiftungsrat, der ausschließlich kuscht und zusieht, wie seine Firma an Terrain verliert?

Vor einem Jahr wurde Alexander Wrabetz von blauen, orangen, grünen, roten und angeblich unabhängigen Stiftungsräten zum Generaldirektor des Österreichischen Rundfunks gekürt. Seit gut einem halben Jahr sitzen er und seine Intendanten Wolfgang Lorenz und Elmar Oberhauser an der großen Medienorgel, auf der sie vor fünf Monaten das dissonante Stückerl „größte Programmreform aller Zeiten“ zu spielen begonnen haben. Mit katastrophaler Wirkung: Inzwischen sind die Quoten des öffentlich-rechtlichen Senders auf dem historischen Tiefpunkt. Tendenz negativ. Und nichts geschieht. Die einzige Steigerung, an der die ORF-Größen aktiv arbeiten, ist jene der Gebühren. Fraglich nur, ob die Politik da mitspielt.

Kultur? Eine Mitternachtseinlage. (Man erinnere sich: Unter General Gerd Bacher gab es bei wesentlich kleineren Budgets bis zu 50 Fernsehspiele pro Jahr in Eigenproduktion. Heute kauft man um teures Geld Schrott in den Niederlanden.) Regionale Bildungsaufträge? Belangsendungen aus künstlich aufgeblähten Landesstudios. Politische Diskussion? Boulevard mit Oberhauser und anderem Großwild, das mit ruppiger Art harmlose Fragen kaschiert.

Alles beim ORF ist heute Proporz, auf breitester Basis. Daraus wird dann eben eine Anstalt der Mittelmäßigkeit. Wo aber bleiben heute die Kritiker des ORF? Man erinnere sich an die Diskussion im Frühsommer des Vorjahres. Lindner muss weg, Mück muss weg, hieß es, der ORF gehöre entpolitisiert. Was aber ist geschehen? Neue Farben braucht das Land. Der grüne Ex-Politiker und Stiftungsrat Pius Strobl, der Wrabetz zur Mehrheit verholfen hatte, wurde von diesem an eine wesentliche Schaltstelle der Macht gehievt, eine postmoderne Rotation sozusagen. Unter Rot, Schwarz und Blau nannte man das Freunderlwirtschaft. Dass inzwischen auch die Grünen diesem Prinzip lustvoll huldigen, zeigt wohl auch der Fall Wabl. Man lässt sich die Oppositionsrolle abkaufen. Ein Hoch dem Regenbogen!

Aber bleiben wir beim staatlichen Rundfunk. Wo sind heute die besorgten Stimmen von „SOS ORF“, die den Absturz der Quoten und die schamlose Fortsetzung der politischen Interventionen tadeln, die nach Ablöse des überforderten Managements schreien? Wer gibt heute den Armin Wolf, der über die nicht veränderten, sondern nur umgefärbten Machtstrukturen klagt? Man dürfe das nicht so eng sehen, sagen heute linksliberale Freunde in der Anstalt. Hauptsache, die Schwarzen hätten verloren, denn die Blauen seien gar nicht so schlimm, wenn sie sich mit Rot und Grün paarten, die habe man unter Kontrolle. Wrabetz wisse aus eigener Erfahrung, wie man mit Blauen umgehe. Wir lernen: Es gibt guten und schlechten Proporz.

Lassen wir die Ideologie. Was aber ist das eigentlich für ein Stiftungsrat, der zusieht, wie eine einst renommierte Firma bedrohlich an Terrain verliert? 35 Aufsichtsräte, und keiner hat etwas dagegen, dass der ORF gegen die Wand fährt. Sitzen dort lauter Strobls, die darauf warten, mit einem Job auf dem Berg versorgt zu werden? Oder Parteivasallen, denen der Erfolg des Unternehmens egal ist, solange Gusenbauer, Molterer, Van der Bellen oder Strache lang genug in der „Zeit im Bild“ Gesichtsbäder nehmen dürfen? Liebe Damen und Herren Stiftungsräte: Ein wenig mehr Rückgrat würde Ihnen nicht schlecht stehen. Ein bisschen Misstrauen gegen den Vorstand hätte auch dem Bawag-Aufsichtsrat nicht geschadet. Oder würden Sie selbst dann kuschen, wenn bei der nächsten Reform ORF1 an den meistbietenden Privaten verkauft und das Kerngeschäft ORF2 noch strenger parteipolitisiert würde?


Weil aber Generalappelle an einen Regenbogen-Proporz, einen Regenbogen-Stiftungsrat und eine Regenbogen-Direktion nichts nützen, zuletzt noch ein bescheidener Vorschlag, die Schlappe von Mitten im Achten vergessen zu machen: Wie wäre es, wenn Herr Wrabetz die ZiB prinzipiell durchschalten ließe, und zwar konsequent im Geist des überlasteten Stiftungsrates? Die ZiB1 in ORF1 für die Roten, parallel dazu in ORF2 für die Schwarzen, mit der jeweiligen Möglichkeit des Product-Placements für ÖGB und Bundeswirtschaftskammer. Die ZiB2 in ORF1 für Grüne, Kommunisten und Kirchen, in ORF2 für Blau, Orange und Islamisten, mit Live-Einstiegen aus Klagenfurt. Das wäre eine ehrliche Offenlegung, die Parteien wären zufrieden, und die Unverbesserlichen, die wirklich an Nachrichten und Kultur interessiert sind, dürfen unbehelligt Arte oder 3sat schauen, solange sie die opulente Regenbogen-Gebühr zahlen.

ORF-General Wrabetz im Interview Seite 2
Die grüne Eminenz: Porträt Pius Strobl Seite 3


norbert.mayer@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2007)

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