Scheinheilige Geschäfte made in China

Wer in China nur billig produzieren will, darf sich nicht wundern, wenn dort nur billig produziert wird.

Das haben sie jetzt davon: Die Global Player, wie sie so schön genannt werden. Jene Konzerne, wie Mattel, die tausende Arbeitsplätze in den USA abgebaut haben, nur um in China recht billig produzieren zu können. Und jetzt kommt der Spielzeughersteller plötzlich drauf, dass die Chinesen nur miese Qualität hergestellt haben. Jetzt müssen 18 Millionen Plastikfiguren zurückgerufen werden, weil Magnete nicht ordentlich eingebaut worden sind. Aus Profitgier wurde sogar die Gesundheit der Kinder aufs Spiel gesetzt. Am besten wäre es wohl, man würde derartige Produkte aus China bei uns verbieten. Dann wäre das Problem ein für alle Mal erledigt.

Das klingt doch ziemlich einleuchtend, oder? Und vermutlich würde diese kurze Beschreibung der Globalisierungsfalle made in China hierzulande relativ locker die Zustimmung einer breiten Bevölkerungsschicht erhalten. Weil einfache Wahrheiten immer mehrheitsfähig sind. Aber „einfache Wahrheiten“ haben sehr oft ein kleines Problem: Sie sind dumm und falsch.

Outsourcing bedeutet nämlich nicht automatisch eine Verschlechterung der Qualität. Immer, wenn vom Sparen die Rede ist, wird sofort reflexartig vor Qualitätsverlust gewarnt. Doch das ist eine weit verbreitete Mär. Denn Rückholaktionen hat es natürlich auch gegeben, lange bevor China zur verlängerten Werkbank der Industrieländer geworden ist. Schlechte Qualität ist keine chinesische oder indische Erfindung. Es gibt sie überall dort, wo Unternehmer (und Konsumenten!) nur auf den Preis schauen. Und Unternehmen, die einst in ihrem Heimatland billig produzieren ließen, die machen es nun in Osteuropa, Indien oder China genauso. Miese Qualität hat nichts mit einem Produktionsstandort, sondern vielmehr mit einer Firmenphilosophie zu tun.


Und deshalb wird auch jenes Unternehmen gute Qualität herstellen, das in China oder Österreich ordentliche Gehälter bezahlt und ordentlich in Infrastruktur und Technologie investiert. Und ordentlich bezahlt ist ein chinesischer Arbeiter mit 100 Euro im Monat und nicht mit weniger. Ein Manager mit 1000 Euro. Und dieser Manager unterscheidet sich nur in einem Punkt von österreichischen, deutschen oder amerikanischen Kollegen: Er braucht keine Motivationsseminare.

Wer sich abends in der Lan Kwai Fong, der angesagten In-Bar in Shanghai, die Probleme der europäischen und amerikanischen Manager anhört, der hört nur: Kosten, Kosten, Kosten.

Die Lohnkosten in Shanghai sind innerhalb eines Jahres um mehr als 20 Prozent gestiegen. Die Fluktuation unter den Arbeitern ist enorm. Die Europäer, die in China billig produzieren lassen, heuern sich gegenseitig die guten Arbeiter ab, drehen damit selbst an der Kostenschraube, machen sich somit selbst die Qualität kaputt und beklagen sich am Ende noch über die mangelnde Unternehmensloyalität der Chinesen. Apropos Chinesen: Die trifft man in der Lan Kwai Fong eher selten, und wenn, dann als weibliche Begleitung der Manager. In der Bar kostet ein Glas Bier umgerechnet acht Euro. Über diese Kosten hat sich angeblich aber noch kein ausländischer Manager beschwert.


Wenn sich Chinesen über Europäer oder Amerikaner unterhalten, dann sprechen sie von den „Langnasen“. Diese Langnasen trifft man in den großen Städten Chinas vor allem dort gehäuft, wo es darum geht, billige Imitationen zu kaufen. Kein Chinese würde sich auf diesen Fake-Märkten einen billig nachgebauten I-Pod, eine Rolex oder Designer-Brille um fünf Euro zulegen. Wer es in China zu Wohlstand gebracht hat, der zeigt das, indem er sich eine echte Rolex überstreift. Diesen Luxus um nichts kennt man hauptsächlich in den Industrieländern. Und dort sitzen auch die Auftraggeber der kriminellen Raubkopien. Sie nützen einfach das lahme chinesische Rechtssystem aus. Wer übrigens der Meinung ist, China verfügt über kein „Patentrecht“, der irrt. Die Chinesen haben nämlich ganz einfach das deutsche Patentrecht – kopiert.

Es ist also im wahrsten Sinne des Wortes viel zu billig, Ländern wie China die Hauptverantwortung an der schlechten Qualität vieler Produkte zu geben. Die Wurzeln des Übels liegen ganz woanders. Sie liegen bei uns selbst. Und spätestens, wenn zu Weihnachten die Supermarktregale wieder voll sind mit Spielzeug, wird auch bei den Händlern, Importeuren und Konsumenten in erster Linie eines zählen: der Preis.

Verlängerte Werkbank in der Krise Seite 22


gerhard.hofer@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2007)

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