Harter Euro: Bittere Pille, aber kein Unglück

Exporteure können mit schwachem Dollar leben. Lohnerhöhungen sollten aber nicht zu üppig ausfallen.

Der Euro kann es offenbar niemandem recht machen: Als er vor einigen Jahren gegenüber dem US-Dollar als bemitleidenswerter Schwächling dastand, gab es jede Menge Kritik. Jetzt lässt er gegenüber der US-Währung die Muskeln spielen, markiert gar den Kraftprotz – und wieder gibt es mahnende Stimmen. Offenbar gibt es für die europäische Gemeinschaftswährung nie einen Kurs, mit dem alle zufrieden sind.

Die Amerikaner sind da viel gelassener, wofür nicht nur der relativ geringe Exportanteil der US-Wirtschaft, sondern auch die Tatsache sorgt, dass der Dollar nach wie vor die Weltwährung Nummer eins ist und wohl auch noch lange Zeit bleiben wird. Per Saldo ist der schwache Dollar für die Amerikaner aber auch eine zweischneidige Sache. Ihre Exporte profitieren, andererseits wird dadurch ihre Schuldenlast – die USA sind insgesamt der weltweit größte Schuldner – noch drückender. Und dass die USA ausgerechnet im bevorstehenden Wahljahr daran gehen, ihr Budgetdefizit in Ordnung zu bringen, ist wohl nicht zu erwarten.

Für die Exporteure in Europa ist ein Eurokurs von 1,40 Dollar mit Sicherheit eine bittere Pille. Dass es beispielsweise 1995 mit 1,45 Dollar noch weit ärger war und sich alle Experten darüber einig sind, dass der Dollar derzeit kräftig unterbewertet ist, tröstet niemanden. Den heimischen Konjunkturmotor, der in den vergangenen Jahren auf vollen Touren lief, wird der Euro-Höhenflug aber nicht ernsthaft gefährden. Ob das auch für die US-Immobilienkrise und ihre bis nach Europa reichenden Schockwellen gilt, kann heute hingegen noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Wer welche Leichen im Keller hat, ist derzeit die Quizfrage unter den internationalen Banken. Fälle wie die Beinahe-Pleite der britischen Hypothekenbank Northern Rock oder die Quasi-Gewinnwarnung der Deutschen Bank sorgen immer wieder für neue Nervosität.

Gäbe es den Euro nicht, wäre die Finanzkrise freilich noch weit bedrohlicher. Weichwährungen wie die italienische Lira oder die spanische Peseta wären bei den ersten Krisenmeldungen aus der Bankenszene sofort unter Abwertungsdruck gekommen und hätten Österreichs Wirtschaft schwer belastet.

Die Hälfte der heimischen Exporte gehen in die Eurozone und sind damit von Kursschwankungen nicht betroffen. Der harte Euro hat übrigens nicht nur Nachteile. Rohöl und Gas, sowie Agrarprodukte und Metalle, die auf den Weltmärkten in Dollar notieren, werden durch den Höhenflug des Euro relativ verbilligt. Rohöl ist aus österreichischer Sicht derzeit um rund zehn Prozent billiger als vor einem Jahr. Warum Benzin an den Tankstellen trotzdem so teuer ist wie nie zuvor, ist nicht nur den geplagten Autofahrern ein Rätsel.

Die heimische Exportwirtschaft hat in den vergangenen Jahren gelernt, mit dem starken Euro zu leben. 2004 galt noch ein Eurokurs von 1,25 Dollar als „Schmerzgrenze“. Ein Kurs von 1,40 hätte bei den Exporteuren damals Weltuntergangsstimmung ausgelöst. Heute schaffen das die Betriebe, wenngleich die Gewinne durch die Wechselkursentwicklung zweifellos geschmälert werden. Die Verbesserung der Produktivität hat die teilweise durchaus brutale Veränderung der Wechselkurse mehr als kompensiert.

Dieses Erfolgsrezept hat in Österreich durchaus Tradition. Schon die – anfangs vom ÖGB heftig abgelehnte, dann aber durch moderate Lohnabschlüsse mitgetragene – Hartwährungspolitik ab den 70er-Jahren war für die heimische Wirtschaft ein „Stahlbad“, das zwar einige Betriebe nicht überlebt haben, aus dem aber die Mehrzahl der Unternehmen deutlich gestärkt hervorgegangen ist.

Auch wenn im Vorfeld der diesjährigen Herbstrunde schon verbale Kraftakte probiert wurden – von Gewerkschaftern, aber auch von dem dafür ganz und gar nicht zuständigen Sozialminister – sollten gerade angesichts der aktuellen Wechselkurssituation die Lohnverhandler auch diesmal mit Augenmaß agieren, um die Wettbewerbsposition der heimischen Exportwirtschaft nicht zu gefährden. Ohne den Lohnverhandlern in ihr verantwortungsvolles Handwerk zu pfuschen: Heuer ist Flexibilität besonders gefragt. Die Lohnerhöhungen könnten geteilt werden, in eine Fixkomponente, um die alle Löhne steigen, und einen flexiblen Anteil, mit dem florierende Unternehmen ihre Mitarbeiter an der guten Entwicklung teilhaben lassen – entweder in barer Münze oder in Form der seit längerem diskutierten Mitarbeiterbeteiligung. Alles über einen Kamm zu scheren, ist nämlich nie ein gutes Rezept.

Euro auf Rekordhoch Seite 1


christine.domforth@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2007)

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