Ein sinnloser Ärztestreik: Runter von der Barrikade

Von den lange geplanten Gesundheitszentren können alle profitieren, die Ärzte und die Patienten.

Unser Gesundheitssystem ist super – keine Frage. Die Wartezeiten auf Arzttermine halten sich in Grenzen. Die teuersten Medikamente stehen allen zu. Und komplizierte Operationen sind kein Privileg für Reiche. Für alle das Beste also – zumindest in der Theorie. Das ist natürlich super teuer. In vielen Fällen sind hohe Kosten nicht zu vermeiden, in anderen allerdings schon. Viel zu oft tritt nämlich der bestausgestattete und kostspieligste Apparat – das Spital – in Aktion, obwohl der Patient genauso gut beim Praktiker oder beim Facharzt aufgehoben wäre. Man weiß das seit Jahren. Und man weiß auch, was dagegen zu tun wäre: Spitalsaufenthalte verkürzen oder ganz vermeiden.

Jede neue Regierung beschwört diese Verlagerung in den niedergelassenen Bereich. Jede neue Regierung scheitert daran. Die Öffnungszeiten der Arztordinationen sind nach wie vor ungeeignet, einen brauchbaren Spitalsersatz zu allen Tageszeiten zu bieten. Schon klar: Ein einzelner Arzt kann nicht rund um die Uhr im Einsatz sein. Da braucht es Kooperationen. Es gibt aber auch viele Praktiker in Ballungszentren, die ihre Patienten mit kleinen Wehwehchen in die Ambulanz schicken, die am Land selbstverständlich ein Fall für die Ordinationen wären. Gleichzeitig stehen die teuersten Geräte in den Ambulanzen oft schlecht ausgenutzt herum. Rushhour ist am Vormittag, am Nachmittag ordinieren die Spitalsärzte ja oft privat.

Dabei wäre die Lösung in beiden Fällen so einfach: Freiberufliche Ärzte nutzen die Ambulanzen am Nachmittag – was dem Spital Miete bringt und dem Arzt Anschaffungskosten erspart. Oder, die noch ältere Idee: Man schafft Gesundheitszentren. In denen arbeiten mehrere Ärzte gemeinsam und nicht nebeneinander wie in den gängigen Gruppenpraxen und bieten so einen größeren Umfang an Leistungen zu jeder Tages- und vielleicht auch Nachtzeit an.

Genau das denkt die Politik endlich einmal konkret an. Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen überlegten die großen Zahler des Gesundheitswesens – Bund, Länder und Sozialversicherer –, wie sie solche Gesundheitszentren in die Tat umsetzen könnten. Mehr nicht. Sie dachten nach, es gibt eine Intention und die ist seit Jahren nicht unbekannt. Und was machen die Ärzte? Sie drohen mit einem landesweiten Generalstreik. Warum? Das ist gar nicht so einfach zu eruieren. Einerseits steht der Vorwurf der Verstaatlichung im Raum. Das Schreckensbild der DDR-Polikliniken wird – zu Unrecht – an die Wand gemalt. Andererseits wird die Furcht vor privaten Investoren geschürt, die nur aufs Geld schauen. Ein Widerspruch, der nur schwer aufzulösen ist. Dabei ist es doch egal, ob ein Ärztezentrum von Ärzten, von Bundesländern, von Spitälern, von Krankenkassen oder von Privaten (warum nicht auch vom so gefürchteten Fotolöwen Hartlauer?) betrieben wird, solange die Betreuung der Patienten stimmt. Ärzte müssen sie in einem Gesundheitszentrum ohnehin alle anstellen, ohne sie wird's nicht gehen.

In Wahrheit geht bei den Ärztevertretern eine andere Sorge um – die ums Geld und um die eigene Stellung. Das ist legitim, man sollte es dann aber auch so sagen. Der freiberufliche Arzt mit Kassenvertrag (der ihn ein Stückchen weniger frei macht) ist ja fast schon ein österreichisches Unikum. Das bestens funktioniert. Und zwar so gut, dass viele gesundheitspolitische Theoretiker und Ökonomen nicht einmal im Traum an eine Änderung denken.


Genauso legitim wie die Sorgen der Ärzte sind aber auch die finanziellen Interessen derer, die zahlen. Wer das ist? Die Länder, die Sozialversicherung, der Bund – also alle, die wir potenzielle Patienten sind. Das dürften die Ärzte manchmal vergessen. Es existiert kein böser Feind, der ihnen das sauer verdiente Geld wegnimmt. Es ist einfach eine Frage der Leistbarkeit des Systems. Wenn man sieht, dass einige Gebietskrankenkassen mittlerweile am Rande der Finanzierbarkeit stehen und die Länderbudgets zu einem erheblichen Teil mit Gesundheitsausgaben belastet werden, muss man auch allen die Frage der Effizienzsteigerung stellen dürfen. Beitragserhöhungen gab es in den letzten Jahren schließlich genug. Die letzte Erhöhung ist noch nicht einmal Gesetz, sie ist nur im Regierungsprogramm fixiert und steht uns im kommenden Jänner ins Haus.

Die Gesundheitsministerin ist also gut beraten, auch nach anderen Lösungen zu suchen. Darüber sollte Andrea Kdolsky aber mit allen reden. Hätte sie das im Fall der Gesundheitszentren rechtzeitig mit den Ärzten getan, dann hätten man sich viel erspart: viele grimmige Drohungen und mit Sicherheit einen unnötigen Streik.

Ärzteproteste Seite 3


claudia.dannhauser@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.10.2007)

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