Leitartikel:Amerikas peinliche Verbündete

Von Tiflis bis Islamabad: Angeblich pro-westliche Herrscher regieren mit dem Ausnahmezustand.

Bedauernswertes, leidgeprüftes Tiflis. Die Bilder dieser Woche aus der georgischen Hauptstadt riefen schlimme Erinnerungen an die blutige jüngste Geschichte des transkaukasischen Landes wach. Etwa an den April 1989, als sowjetische Spezialeinheiten mit Spaten gegen georgische Demonstranten im Zentrum der Stadt vorgingen und 20 Leute erschlugen. Auf dem Rustaweli-Prospekt, wo georgische Sicherheitskräfte am Mittwoch mit Schlagstöcken, Tränengas und Wasserkanonen Regierungsgegner gewaltsam auseinanderjagten, tobte 1992 ein erbitterter Bürgerkrieg mit vielen Opfern.

Vor vier Jahren erzwangen hier friedliche Massenproteste den Rücktritt des legendären, aber bis in die Haarwurzeln korrupten Staatsführers Eduard Schewardnadse. An die Macht gelangte damals ein dynamischer, in Europa und den USA ausgebildeter junger Mann, der den Kurswechsel des Landes hin zu einer Demokratie westlichen Typs versprach: Michail Saakaschwili.

Heute aber werfen viele Georgier Saakaschwili genau das vor, weswegen sie vor vier Jahren gegen Schewardnadse auf die Straße gegangen waren: dass er autoritär, paranoid und korrupt sei und dass er sich einen Dreck um die vielen Armen im Lande kümmere. Der aber reagiert so, dass er ja allen Vorwürfen auch gerecht wird: Er schickt seine Prügelpolizisten gegen die Kritiker vor, verhängt den Ausnahmezustand, verbreitet wüste Verschwörungstheorien, dass hinter dem ganzen Aufruhr eh nur die Russen stünden. Die „Rosenrevolution“ also ist gerade dabei, ihre Kinder zu fressen – übrig bleiben nur die Dornen.

Die Sache hat aber nicht nur eine innergeorgische oder post-sowjetische Dimension: Was wurde dieser Saakaschwili doch in westlichen Hauptstädten gehätschelt und getätschelt. Der „smarte Westler“, der sein Land in die Nato und die EU führen will, wurde überall herumgereicht – wir haben es bei seinem Auftritt bei der Münchner Sicherheitskonferenz selbst miterlebt.

Leute aber, die sich in Georgien wirklich auskennen, die zuhören, was man ihnen dort so alles erzählt, warnen schon seit langem vor diesem Saakaschwili und seinem äußerst zweifelhaften Charakter und politischen Stil. Sie sind deshalb auch nicht überrascht, was sich in der Transkaukasus-Republik derzeit abspielt.

Vor allem ein westlicher Spitzenpolitiker hielt große Stücke auf diesen Michail Saakaschwili: George W. Bush. Er stattete ihm sogar einen Besuch in Tiflis ab, fungierte als sein Anwalt in der westlichen Welt, konnte Saakaschwilis Georgien offenbar nicht rasch genug in der Nato haben und wollte es zu einer Art Musterdemokratie in der Region zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer hochstilisieren. Und jetzt das: Der „Musterdemokrat“ lässt seine politischen Gegner krankenausreif prügeln, steckt sie ins Gefängnis oder treibt sie ins Exil, dreht kritischen Medien den Saft ab und regiert mittels Ausnahmezustand.

Wie im übrigen seit ein paar Tagen auch ein anderer enger Partner und Verbündeter von George W. Bush: Pakistans Machthaber Pervez Musharraf. Natürlich sind Georgien und Pakistan zwei verschieden gelagerte Fälle – sowohl was ihre geografische Größe als auch was ihre geopolitische Bedeutung betrifft. Aber dennoch ist die Koinzidenz auffallend und zugleich peinlich für die Außenpolitik der Bush-Regierung.

Peinlich, weil George W. Bush, zumindest in seiner ersten Amtsperiode wie kaum ein anderer US-Präsident vor ihm die Missionierung der Welt durch Freiheit, Demokratie und Marktwirtschaft predigte. Aber gerade durch die Überbetonung westlicher Werte und Prinzipien trat die Heuchelei in der amerikanischen Außenpolitik umso deutlicher zu Tage. Man kann sich schlecht als Champion der Demokratie aufspielen, wenn man gleichzeitig Despoten wie dem saudischen König Abdallah oder dem ägyptischen Sesselkleber Mubarak den Rücken stärkt.

Im Falle Pakistans ist es ja womöglich tatsächlich so, dass im Moment der Ausnahmezustand noch das geringste Übel ist – für das Land, für die Region, für Amerika. Dennoch ist Musharraf schwerst diskreditiert – und mit ihm auch die US-Regierung. Denn der Militärdespotismus verschiebt die Probleme lediglich auf die lange Bank und verschärft sie dadurch nur noch. Die Eruption könnte umso heftiger ausfallen.

Die USA aber sollten sich ihre Verbündeten sorgfältiger aussuchen. Nicht jeder General, der sich als Verbündeter im Kampf gegen den Terror aufspielt, garantiert auf Dauer Stabilität. Nicht jeder Yuppie-Präsident, der einmal in einer New Yorker Anwaltskanzlei gearbeitet hat, ist automatisch ein pro-westlicher Modelldemokrat.

Thema des Tages S. 1, 2, 4


burkhard.bischof@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2007)

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